Wo die renommierte Entwicklungsökonomin Ngozi Okonjo-Iweala (66) auftaucht, macht sie eine imposante Figur. Die Nigerianerin hat sich trotz Jahrzehnten in den USA unter Anzug- und Kostümträgern und -trägerinnen ihren Stil bewahrt.
Sie trägt bunte Kleider, groß gemustert, fast immer mit gebundenem Kopftuch. Sie habe sich einst für die traditionelle nigerianische Kleidung entschieden, als es schnell gehen musste, wenn sie ihre vier Kinder morgens zur Schule brachte, berichtete sie 2012 der BBC. Sie sei dabei geblieben, und es rentiere sich: Umgerechnet 25 Euro zahle sie pro Outfit, meinte sie damals.
In der Welthandelsorganisation (WTO), die Okonjo-Iweala jetzt leitet, dominieren dunkle Anzüge. Generaldirektor Roberto Azevêdo, der die Organisation im vergangenen Sommer verließ, war seit 1948 der neunte Mann in Folge an der Spitze der WTO und ihres Vorgängers, des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT). Auch die vier Stellvertreter, die die WTO seit Azevêdos Abgang leiten, sind Männer.
«Ich möchte die Organisation neu beleben», sagte Okonjo-Iweala bei der Bewerbung um den Posten. Wobei es ihr nicht nur um eine bessere Frauenpräsenz geht. Die WTO braucht dringend frischen Wind. Sie ist seit Langem durch Grabenkämpfe zwischen Ländern des Südens und des Nordens und durch die Blockadehaltung der US-Regierung unter Donald Trump gelähmt. «Ich bin eine Macherin», versprach Okonjo-Iweala. «Handel ist wichtig für Wohlstand, Widerstandskraft und nachhaltiges Wachstum, und die WTO ist zentral dafür», meinte sie. «Wenn wir die WTO nicht hätten, müssten wir sie erfinden.»
Bei ihrer Ernennung Mitte Februar machte sie ihren Stil deutlich: Ärmel hoch und anpacken. Im WTO-Streit zwischen armen und reichen Ländern darüber, ob die Patente von Pharmafirmen ausgesetzt werden sollen, damit mehr Corona-Impfstoff hergestellt werden kann, setzt sie auf Pragmatik. Man müsse nicht auf Patenten herumreiten, sondern sich auf das Ziel einigen und dann kreative Wege suchen, dahin zu kommen, meinte sie.
Kreative Lösungen fand sie auch als Nummer zwei der Weltbank in Washington, wo sie in der Finanzkrise 2009 kurzfristig Programme für die ärmsten Länder auflegte. Mit demselben Macherinstinkt nahm sie als Finanzministerin den Kampf gegen die Korruption in Nigeria auf. Als ihre eigene Mutter entführt wurde, um sie zum Rücktritt zu zwingen, zuckte sie nicht mit der Wimper. Die Mutter kam frei.
Okonjo-Iweala war insgesamt 25 Jahre bei der Weltbank sowie zweimal Finanzministerin in ihrem Heimatland und kurz Außenministerin. Sie gilt als durchsetzungsfähig und als gute Vermittlerin, die Kompromisse auf den Weg bringen kann. Sie hat in den USA an den Elite-Universitäten Harvard und MIT Wirtschaftswissenschaften und Entwicklungsökonomie studiert und dort promoviert.
Die Professorentochter wurde von den Zeitschriften «Time», «Forbes» und anderen in den vergangenen zehn Jahren mehrmals unter den 100 einflussreichsten Menschen der Welt aufgeführt. Transparency International, die Organisation, die einen Korruptionsindex für alle Länder herausgibt, porträtierte sie 2019 als eine von acht inspirierenden Korruptionsbekämpferinnen.
In Nigeria ist Okonjo-Iweala sehr angesehen. Sie gilt als eines der erfolgreichsten Regierungsmitglieder, seit sie 2005 unter anderem mit reichen Ländern einen Schuldenerlass im Umfang von 30 Milliarden Dollar aushandelte. Sie gilt zudem als Architektin eines besseren Managements der Einnahmen aus dem Ölgeschäft, dem größten Batzen bei der Finanzierung des Staatshaushalts.
Okonjo-Iweala ist mit einem Neurochirurgen verheiratet und hat neben der nigerianischen auch die amerikanische Staatsbürgerschaft.
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