21. November 2024

Börsenprofi

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Privatfernsehen mit neuen Chefs auf Streamingkurs

Die zwei großen TV-Gruppen im deutschen Privatfernsehen lassen sich nicht so gern miteinander vergleichen. Doch es gibt gerade so einige Parallelen bei RTL und ProSiebenSat.1.

Im deutschen Fernsehmarkt vollzieht sich eine Umwälzung. Treiber sind wie so oft Unternehmen in den USA. Das Privatfernsehen muss sich heute nicht mehr nur mit den öffentlich-rechtlichen TV-Programmen messen. Netflix, Amazon, Disney und Apple sind die weltweite Streaming-Konkurrenz, die sich hierzulande breit macht.

RTL und ProSiebenSat.1 müssen in hohem Tempo ins digitale Streaming-Geschäft, das für sie noch länger keine Gewinne abwerfen wird, investieren. Beide börsennotierten Firmen sitzen im gleichen Boot. Doch es läuft gerade nicht überall glatt.

Bei der Werbung, mit denen TV-Unternehmen klassisch Erlöse erzielen, gibt es eine Flaute. Die Krisen – Energieversorgung, Ukraine-Krieg und Corona-Pandemie – machen der deutschen Wirtschaft zu schaffen.

Bert Habets wird ProSiebenSat.1-Chef

Nun gibt es Neuigkeiten aus den TV-Häusern. ProSiebenSat.1-Chef Rainer Beaujean, erst seit Jahresanfang Vorstandsvorsitzender, räumt seinen Posten überraschend. Der TV-Konzern in Unterföhring bei München wird künftig von dem Ex-RTL-Manager Bert Habets geführt. Jahrzehnte war der 51-Jährige an wichtigen Stellen beim Konkurrenten tätig, baute etwa den RTL-Streamingdienst Videoland in den Niederlanden auf.

Habets, der bis zu seinem Weggang vor einigen Jahren zeitweise den Chefposten der RTL Group in Luxemburg innehatte und seit Mai auch im Aufsichtsrat von ProSiebenSat.1 sitzt, ersetzt nun den Finanzexperten Beaujean. Dieser war als Finanzchef in einer unruhigen Zeit zunächst als Vorstandssprecher eingesprungen, als Konzernchef Max Conze 2020 seinen Hut nahm. Der genaue Grund, warum Beaujean jetzt geht beziehungsweise gehen muss, wurde nicht bekannt.

Joyn als Herzstück

Dabei hatte ProSiebenSat.1 mit einem Jahresumsatz von 4,5 Milliarden Euro in 2021 und 7800 Mitarbeitern zuletzt ein positives Signal in den Markt gesendet. Bislang hält der Konzern die Hälfte der Anteile an der Streaming-Plattform Joyn, künftig will er alle haben.

Joyn ist so etwas wie das Herzstück – zuletzt war die Rede von vier Millionen sogenannten Unique Usern im Monat, also einzelnen Nutzern. Man setzt auf Unterhaltung und will jüngere Leute im Netz erreichen. Live, lokal und auf den deutschen Markt spezialisiert. Das Bewegtbildsegment soll mit anderen Unternehmensbereichen stärker verknüpft werden – etwa mit Handel oder Communities.

Nicht alles läuft indes im Konzern wie geplant: Ein möglicher Börsengang des Online-Dating-Spezialisten Parship Meet Group wurde schon länger auf Eis gelegt.

Auf dpa-Nachfrage teilte eine Konzernsprecherin zu dem Wechsel an der Führungsspitze mit, Aufsichtsratschef Andreas Wiele habe zu verstehen gegeben, dass die Berufung von Habets in keiner Weise mit einem möglichen Einfluss des italienischen Medienkonzerns Media for Europe (MFE) in Verbindung stehe.

Das TV-Unternehmen von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi, das einen hohen Aktienanteil an ProSiebenSat.1 hält, sprach immer wieder von einem europäischen Senderverbund – konkret wurden Pläne bislang nicht. Das Verhältnis zwischen beiden Medienhäusern gilt als eher kühl. Unlängst teilte MFE mit, seine Präsenz in Deutschland mit einem eigenen Büro in München zu verstärken.

Eigene Streamingstrategie für Europa bei RTL

Die RTL Group, die 2021 einen Jahresumsatz von 6,6 Milliarden Euro erzielte, machte wiederum zu Wochenbeginn bekannt, dass sie ihre Anteile an der französischen TV-Gruppe M6 behalten wird. RTL, größter Umsatzbringer im Bertelsmann-Portfolio, setzt damit auch das Zeichen: Man hält an der eigenen Streaming-Strategie für Europa fest. Bertelsmann- und RTL-Chef Thomas Rabe will etwa durch Zusammenschlüsse starke Bewegtbildunternehmen schaffen, um im jeweiligen nationalen Markt Netflix und Co. etwas entgegenzusetzen. In den Niederlanden steht ein solcher Schritt demnächst ein, wenn die Wettbewerbshüter Ja sagen.

In Frankreich ging der Plan nicht auf – es gab von Behördenseite Wettbewerbsbedenken. Danach kam die Frage auf, ob RTL die eigenen M6-Anteile abstoßen würde. Jetzt betont Rabe, die M6-Gruppe sei eines der bestgeführten TV-Unternehmen in Europa. Man werde die Strategie weiterverfolgen, starke nationale Mediengruppen aufzubauen. Das Ganze ist auch deshalb bemerkenswert, weil der Manager immer wieder – ohne konkret zu werden – in Deutschland eine mögliche Annäherung an ProSiebenSat.1 ins Spiel brachte. In Unterföhring stieß diese Idee bislang nach offiziellen Aussagen nicht auf Gegenliebe.

Rabe rückte indes unlängst selbst an die Spitze des wichtigen RTL-Deutschlandsgeschäfts. Co-Chef Stephan Schäfer musste nach nur knapp einem Jahr gehen. Rabe nannte im August als Begründung für Schäfers raschen Abgang im dpa-Gespräch: «Wir haben uns jetzt für die Führungsstruktur bei RTL Deutschland entschieden, weil RTL vor einigen großen Herausforderungen steht.»

Synergien durch crossmediale Angebote schaffen

Neben dem angespannteren Werbemarkt baut RTL gerade seine deutsche Streaming-Plattform RTL+ zu einem crossmedialen Angebot aus. Eine Superplattform, die mit einer App mehrere Mediengattungen aus der Bertelsmann-Welt wie Audio, Zeitschriften und Bewegtbild bündelt, wurde in Aussicht gestellt. Im August startete zunächst in einem ersten Schritt eine eigene Musik-App. Wie genau das Ganze am Ende aussehen wird, ist unklar.

Auch das Zusammengehen von RTL und Zeitschriftenverlag Gruner + Jahr ist kein Selbstläufer. RTL Deutschland übernahm das Magazinportfolio zu Jahresbeginn, beide Bertelsmann-Bereiche sollen Synergien durch crossmediale Angebote schaffen. Die Auflagen von gedruckten Zeitschriften gehen in Deutschland seit Jahrzehnten zurück. Das Ganze hat auch etwas mit dem Verschmelzen zweier Firmenkulturen zu tun.

Von Anna Ringle, dpa