Vor internationalem Publikum hat der russische Präsident Wladimir Putin in St. Petersburg die Fertigstellung des ersten von zwei Strängen der Ostseepipeline Nord Stream 2 verkündet.
Die Arbeiten am ersten Strang seien beendet, die Rohre verlegt und der russische Gaskonzern Gazprom sei bereit, die Leitung zu befüllen, sagte Putin beim St. Petersburger internationalen Wirtschaftsforum. Auf russischer Seite sei die Pipeline startklar. Die Gazprom-Aktien setzten zu einem Sprung an.
Zuvor hatten die Behörden des Leningrader Gebiets darüber informiert, dass in der kommenden Woche der Testbetrieb am russischen Teil der Leitung beginne. Russland sei bereit, weiter solche internationalen Projekte wie Nord Stream 2 umzusetzen, betonte Putin. Der Kremlchef sagte bei dem Wirtschaftstreffen, an dem auch der bei Nord Stream tätige Altkanzler Gerhard Schröder teilnahm, dass der zweite Strang bereits in zwei Monaten fertiggestellt werden könne. Die Befüllung hänge dann von der Erlaubnis der deutschen Behörden ab.
«Es ist ein rein wirtschaftliches und kommerzielles Projekt», sagte Putin mit Blick auf politische Kritik an der Ostseepipeline. Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz sagte, er sei optimistisch, dass die Gasleitung fertiggestellt werde. Das sei gut für Russland, weil Europa viel Gas von dem Land kaufe. In Europa sorge Nord Stream 2 für Energiesicherheit, sagte der per Video bei einer Plenarsitzung zugeschaltete Politiker.
Der russische Präsident warf den USA vor, sie hätten mit ihrem Widerstand gegen Nord Stream 2 vor allem eigene wirtschaftliche Interessen verfolgt. Die USA bieten ihr durch Fracking gewonnenes und dann verflüssigtes Gas als Alternative in der EU an. Putin sagte, dass russisches Pipeline-Gas «sauberer, billiger und verlässlicher» sei als das US-Produkt. Bei dem St. Petersburger Internationalen Wirtschaftsforum – kurz SPIEF – ging es in diesem Jahr insgesamt viel um Umweltthemen und Klimaschutz.
Billiger sei auch der direkte Transport von Russland nach Deutschland – in Umgehung des bisher wichtigsten Transitlandes Ukraine, sagte Putin. Auf die Frage des Moderators, ob die Ukraine durch die Transitgebühren nicht wichtige Einnahmen verliere, sagte Putin, dass Russland nicht für das «Durchfüttern» des Nachbarn zuständig sei. Die Ukraine hatte immer wieder Sanktionen gegen das Projekt gefordert.
Ein Sprecher der Nord Stream 2 AG bestätigte, dass die Rohrverlegung des ersten Pipelinestranges am Freitag abgeschlossen worden sei. «Die verlegten Abschnitte des Pipelinestranges müssen nun noch miteinander verbunden werden», sagte Sprecher Steffen Ebert der Deutschen Presse-Agentur. Anschließend werde die Inbetriebnahme vorbereitet. «Die Verlegearbeiten am anderen Leitungsstrang werden fortgesetzt.»
Der Linken-Bundestagsabgeordnete Klaus Ernst sagte auf dem Forum: «Mich freut, dass dies trotz aller Widerstände gelungen ist, und ich beglückwünsche die Bundesregierung zu ihrem beharrlichen Festhalten an dem Projekt, das sich offensichtlich ausgezahlt hat». Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft und Energie im Bundestag meinte, «weder das irrationale Auftreten der Grünen und einzelner Unionspolitiker noch die völkerrechtswidrigen Sanktionen der USA konnten den Pipelinebau am Ende verhindern».
Forderungen nach einem Stopp des Milliardenprojekts waren unter anderem nach der Vergiftung des Kremlkritikers Alexej Nawalny im vergangenen Jahr laut geworden. Nawalny, der am Freitag 45 Jahre alt wurde, ist mittlerweile trotz international teils heftigem Protest in Russland im Straflager inhaftiert.
Nord Stream 2 sei eine gute Nachricht für Gaskunden, sagte der Abgeordnete Ernst. Zugleich sprach er sich für eine Rücknahme der Sanktionen aus. «Sie dienen nicht der Zusammenarbeit beider Länder, sondern behindern sie», sagte er. Ernst nahm an deutsch-russischen Veranstaltungen teil, bei denen es auch um Möglichkeiten einer Zusammenarbeit ungeachtet schwerer politischer Spannungen zwischen Berlin und Moskau ging.
Der russische Stahlmanager und Multimilliardär Alexej Mordaschow sprach sich für eine stärkere Konzentration auf gemeinsame Interessen aus, um die Beziehungen zu verbessern. Es gebe zum Beispiel bei der Digitalisierung Chancen einer engeren Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern, sagte Mordaschow, der als Russlands reichster Mann gilt und auch im Aufsichtsrat des Reisekonzerns Tui sitzt.
Der Oligarch Viktor Wekselberg sagte bei der Veranstaltung mit Chefs deutscher Firmen, darunter Siemens Energy und Wintershall Dea, dass es auch bei der Nutzung alternativer Energien großes Potenzial gebe. Als Beispiel nannte er Solarzellen und Wasserstoff. Der Chef des österreichischen Energieunternehmens OMV, Rainer Seele, bestätigte das Interesse an einem Ausbau der Kooperation – ungeachtet der politischen Probleme. Nötig seien aber neue Projekte.
Kritik gab es auf dem Forum daran, dass die Bundesregierung nicht vertreten sei. Der stellvertretende Minister für wirtschaftliche Entwicklung, Wladimir Iljitschjow, meinte, dass es nicht nur an hochrangigen Treffen fehle, sondern dass die offiziellen Kontakte zwischen Moskau und Berlin auch inhaltlich verkümmert seien. Zugleich sprach er sich für eine Fortsetzung der Modernisierungspartnerschaft aus. Deutsche Unternehmen könnten helfen, Probleme in russischen Betrieben zu beseitigen.
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