23. November 2024

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Regierungsplan für mehr gesündere Ernährung im Alltag

Was auf den Teller kommt, soll zu allererst schmecken, da sind sich wohl alle einig. Doch mit einem ausgewogenen Speiseplan sieht es oft schon komplizierter aus. Kann gesünderes Essen zum Standard werden?

Weniger Zucker, Fett und Salz beim Essen vor allem für Kinder, mehr Bio und Regionales beim Mittagstisch in der Kantine: Für Millionen Menschen in Deutschland soll eine gesündere Ernährung nach Plänen der Bundesregierung im Alltag leichter werden. «Ich will, dass jeder eine echte Wahl für gutes Essen bekommt», sagte Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) am Mittwoch. Das Kabinett beschloss dazu eine Strategie mit Zielen und Maßnahmen, die auch auf mehr Obst und Gemüse und weniger Lebensmittelabfälle setzen. Verbraucherschützer, Umwelt- und Gesundheitsexperten kritisierten die Pläne als enttäuschend.

«Leckeres, gesundes und nachhaltiges Essen darf nicht vom Geldbeutel abhängen oder davon, aus welcher Familie man kommt», sagte Özdemir in Berlin. Und fügte gleich noch zur Klarstellung hinzu: «Entscheiden muss sich dann jeder selbst, da hat niemand jemandem etwas vorzuschreiben.» Denn um einen «Kulturkampf» solle es ausdrücklich nicht gehen, machte der Minister mit Blick auf Debatten deutlich, ob noch Schnitzel oder Kaffee mit Zucker auf dem Tisch sein dürfen.

Ansetzen soll die Strategie «Gutes Essen für Deutschland» besonders an Orten, wo jeden Tag viele Menschen essen, trinken oder einkaufen – in Firmen, Schulen, Kitas, Supermärkten. Gesunde Ernährung werde da nicht immer leicht gemacht, erläuterte Özdemir. Oft fehle auch ein entsprechendes Angebot. Dabei sei Handlungsbedarf da: Mehr als jeder zehnte Mensch hierzulande habe Diabetes, ungesunde Ernährung werde mit 14 Prozent der Todesfälle in Verbindung gebracht. Die Strategie führt verschiedene Maßnahmen auf – mit einem «Zielhorizont bis 2050».

Zentrale Rolle für Kantinen und Mensen

Eine wichtige Rolle sollen Kantinen und Mensen in Unternehmen und anderen Einrichtungen spielen, in denen am Tag rund 17 Millionen Menschen essen. Dort sollen mehr pflanzliche, saisonale und möglichst regionale und ökologisch erzeugte Produkte auf die Speisepläne kommen und auch «so angeboten werden, dass junge Menschen sie gerne zu sich nehmen», wie es in der Strategie heißt. Die Qualitätsstandards und praktischen Tipps der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) sollen demnach bis 2030 verbindlich etabliert werden.

Das Netz der Bildungseinrichtungen liegt zwar in Regie der Länder. Einen Impuls dazu gab am Wochenende aber auch der beim Bundestag angesiedelte erste Bürgerrat, der ein kostenfreies, gesundes Mittagessen für alle Kinder an Kitas und Schulen empfahl. Der Bund sollte das mindestens zur Hälfte finanzieren. Özdemir ließ Sympathie dafür erkennen und machte klar, dass in einer großen Volkswirtschaft wie Deutschland Wege zur Finanzierung zu finden sein sollten. Und es wäre auch schon etwas, wenn der Bund als Nachfragefaktor aktiv werde, etwa bei den Standorten von Bundeswehr und Bundespolizei.

Keine Werbung mehr für ungesunde Produkte

Die Strategie enthält auch, dass die Regierung Beschränkungen bei der Werbung für ungesündere Produkte an die Adresse von Kindern plant. Nur steckt das Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag seit Monaten wegen Einwänden der FDP fest. Özdemir warb für die überarbeiteten Pläne, über die weiter zu reden sei. «Ich stehe da im Wort», machte er klar. Es wäre «ein Treppenwitz der Geschichte», wenn man keine Lösung fände. Özdemir hat die Vorgaben schon enger gefasst. Werbeverbote für Produkte mit zu viel Zucker, Fett und Salz sollen demnach auf Zeiten konzentriert werden, wenn besonders viele Kinder Fernsehen schauen.

Die Verbrauchzentralen begrüßten es, dass die Bundesregierung den Handlungsbedarf erkannt habe. Die Strategie sei «ein erster Schritt», entscheidend aber die Umsetzung. Die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) erklärten, bei konkreten Maßnahmen bleibe die Strategie schwammig. Es sei fraglich, ob die Ernährungswende so erreicht werden könne. Die Umweltorganisation WWF monierte, die Pläne blieben unverbindlich. Denkbar wäre etwa ein Bundesinvestitionsprogramm mit Eigenanteilen der Länder für die Umstellung auf eine nachhaltige Gemeinschaftsverpflegung in Kitas, Schulen oder Krankenhäusern.

In der Koalition fielen die Reaktionen gemischt aus. Für die SPD nannte die Abgeordnete Peggy Schierenbeck die Strategie einen «Meilenstein für die soziale Gerechtigkeit, wenn wir sie wirksam und nachhaltig umsetzen». Der FDP-Fachpolitiker Gero Hocker sprach indes von einem «Sammelsurium aus Absichtserklärungen und Prüfaufträgen». Wenn es im Parlament um konkrete Maßnahmen gehe, werde er sich jeder Bevormundung von Landwirtschaft und Verbrauchern entgegenstellen.

Von Sascha Meyer, dpa