Deutschlands Börsenschwergewichte nehmen trotz konjunkturellen Gegenwinds einer Studie zufolge Kurs auf ein Rekordjahr.
Im dritten Quartal liefen die Geschäfte der 40 Dax-Konzerne prächtig mit Bestmarken bei Umsatz und Ergebnis, wie aus einer Auswertung des Prüfungs- und Beratungsunternehmens EY hervorgeht. «Es scheint, dass der Schwung der ersten drei Quartale ausreicht, damit 2022 in Summe ein Rekordjahr wird», sagte EY-Partner Mathieu Meyer. Die Konzerne profitieren auch davon, dass sie oft auf unterschiedlichen Märkten aktiv sind und so Rückgänge ausgleichen können. Sorgen bereitet das Inland.
Nachfrageeinbruch ausgeblieben
«Bislang gelingt es den meisten Dax-Unternehmen, die steigenden Kosten bei Personal, Beschaffung, Logistik und Energie auf ihre Kunden umzulegen», erläuterte Meyer. Zu dem befürchteten Nachfrageeinbruch sei es bislang nicht gekommen, zudem böten die hohen Auftragspolster einen komfortablen Puffer gegen eine zurückgehende Nachfrage. «Aber niemand kann sagen, wie lang diese Situation anhält. Nach wie vor droht eine Rezession – und das werden wir früher oder später auch in den Bilanzen der Dax-Konzerne sehen.»
EY zufolge haben viele Unternehmen zuletzt ihre optimistischen Jahresprognosen bestätigt oder sogar erhöht. «Der Gegenwind wird zwar stärker, eine tiefe Krise ist aber unwahrscheinlich», zeigte sich Henrik Ahlers, Vorsitzender der EY-Geschäftsführung in Deutschland vorsichtig optimistisch.
Den Angaben zufolge stieg der Umsatz der ausgewerteten Konzerne ohne Banken im dritten Quartal gegenüber dem Vorjahreszeitraum kräftig um rund 23 Prozent auf insgesamt fast 479 Milliarden Euro. Der operative Gewinn (Ebit) verbesserte sich sogar um 28 Prozent auf rund 44,7 Milliarden Euro und war den Angaben zufolge damit so hoch wie nie zuvor in einem dritten Vierteljahr seit Beginn der Auswertung 2013.
Sorgen um den Standort Deutschland
Vor allem die Geschäfte in Nordamerika liefen auf Hochtouren. Die Umsätze legten dort in der Summe um 29 Prozent gegenüber dem dritten Quartal 2021 zu. Die Konzerne profitierten von starker Nachfrage in den Vereinigten Staaten, aber auch von dem vergleichsweise schwachen Euro. «Der Wertverlust des Euro lässt im Ausland erzielte Einnahmen bei der Umrechnung in die europäische Gemeinschaftswährung wachsen – wovon vor allem stark internationalisierte Unternehmen profitieren», erläuterte Meyer. In Europa wurde ein Umsatzwachstum von 15 Prozent erzielt, in Asien lag das Plus bei 16 Prozent.
Ahlers macht sich vor allem um den Standort Deutschland Sorgen. «Für energieintensive Branchen entwickeln sich die Strom- und Gaspreise zur Existenzfrage. Großunternehmen können Produktion ins Ausland verlagern, kleine Mittelständler häufig nicht, ihnen droht das Aus.»
Nach einer Analyse des Informationsdienstleisters Crif stehen in Deutschland immer mehr Unternehmen mit dem Rücken zur Wand. Mehr als 300.000 Firmen hätten derzeit finanzielle Probleme, stellte Crif jüngst in einer Auswertung von Daten zu knapp drei Millionen Unternehmen fest. Im Vergleich zum März 2022 habe sich die Zahl der Pleitekandidaten im November um 15,6 Prozent erhöht.
Steigt die Zahl der Firmenpleiten?
«Die hohen Energiekosten, die bestehenden Probleme in den Lieferketten und die Inflation machen vielen Unternehmen zu schaffen», sagte Crif-Deutschland-Geschäftsführer Frank Schlein. «Hinzu kommt die Konsumzurückhaltung bei den Verbrauchern, die aufgrund der hohen Energiepreise und der Inflation weniger Geld zur Verfügung haben.» Wie andere Marktbeobachter geht auch Crif davon aus, dass die Zahl der Firmenpleiten in Deutschland im laufenden Jahr steigen wird.
Allerdings sind auch im Ausland aktive deutsche Firmen zunehmend besorgt wegen der Abkühlung der Weltkonjunktur. Knapp jedes zweite Unternehmen erwartet einem Abschwung an seinem jeweiligen Standort, wie aus Ergebnissen einer Umfrage von Auslandshandelskammern hervorgeht. Vor allem die Perspektiven in Europa verschlechterten sich, hieß es. Dagegen seien Firmen im Asien-Pazifik-Raum – ohne China – , in Afrika, Nah- und Mittelost sowie Süd- und Mittelamerika und Nordamerika weniger pessimistisch.
Ökonomen rechnen damit, dass Deutschland und die europäische Wirtschaft über den Winter zwischenzeitlich in eine Rezession rutschen dürften. Im dritten Quartal war die deutsche Wirtschaft nach einer ersten Schätzung überraschend noch leicht um 0,3 Prozent gegenüber dem Vorquartal gewachsen.
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