Der Panzer- und Artillerie-Fabrikant Rheinmetall übernimmt künftig den Bau eines zentralen Teils des Tarnkappenbombers F-35, der zum Atombomben-Transport genutzt werden kann und somit Teil der nuklearen Abschreckung ist.
Mit einem symbolischen ersten Spatenstich gab das Unternehmen das Startsignal für eine 200 Millionen Euro teure Fabrik im nordrhein-westfälischen Weeze (NRW), die Anfang 2025 in Betrieb genommen werden soll. «Wir schaffen einen neuen Nukleus in der Luft- und Raumfahrttechnologie in Nordrhein-Westfalen», sagte Firmenchef Armin Papperger.
Für das Radar kaum zu entdecken
Bis zu 450 Arbeitsplätze sollen entstehen, um Rumpfmittelteile herzustellen. Die Oberfläche ist so gestaltet, dass Radarstrahlen absorbiert werden – für das Radar ist das Flugzeug daher so gut wie unsichtbar. Die Rumpfmitte sei «das Herzstück» des modernsten Kampfflugzeugs der Welt, sagte Luftwaffenchef Ingo Gerhartz bei der Veranstaltung auf einer Wiese neben dem Regionalflughafen Weeze, der unweit der Grenze zu den Niederlanden liegt. Dass eine entscheidende Komponente in Deutschland gefertigt werde, sei bemerkenswert.
Auch Hans Christoph Atzpodien vom Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) wertete die Investition positiv. «Die Beteiligung von Rheinmetall an dem prestigeträchtigen Projekt ist eine gute Nachricht für Deutschland.» Er gab aber zu bedenken, dass der deutsche Wertschöpfungsanteil an dem Milliardenvorhaben trotzdem eher gering sei.
Die Bauteile des Hightech-Flugzeugs werden in unterschiedlichen Staaten gefertigt, der hintere Teil beispielsweise in Italien. Außerdem spielt die USA eine große Rolle – dort sitzen Lockheed Martin als F-35-Generalunternehmer und der Fabrikant Northrop Grumman. Die Endmontage wiederum geschieht in den USA, Italien und Japan.
Während bei den unterschiedlichen Komponenten seit langem auf mehrere Anbieter gesetzt wird, kommen besagte Rumpfmittelteile bisher ausschließlich von Northrop Grumman. Das ändert sich nun, da das in Sachen Luftfahrttechnik bislang eher schwach aufgestellte Rheinmetall als zweiter Hersteller mit an Bord kommt.
Aufträge ließen auf sich warten
Es ist das erste Mal, dass eine neue Fabrik dank eines Auftrags aus dem 100 Milliarden Euro schweren Sondervermögens des Bundes gebaut wird – diese Finanzspritze hatte die Bundesregierung nach dem Beginn des Ukrainekriegs angekündigt, um die seit Jahrzehnten kurzgehaltene Bundeswehr auf Vordermann zu bringen.
Aufträge ließen aber lange auf sich warten, in der Rüstungsbranche wuchs die Ungeduld. Ende vergangenen Jahres gab das Bundesverteidigungsministerium bekannt, dass aus dem Finanztopf 35 Tarnkappenbomber für 8,3 Milliarden Euro bestellt werden. Airbus war als Baupartner im Gespräch, winkte aber mangels Wirtschaftlichkeit ab. Dann bekam Rheinmetall den Zuschlag.
Wie viel Geld Rheinmetall aus der Bestellung des Bundes bekommt, ist unklar – der Löwenanteil dürfte an die US-Firmen Lockheed Martin und Northrop Grumman gehen. Allerdings geht es keineswegs nur um die deutsche Bestellung, sondern insgesamt um mindestens 400 «Fighter 35» – andere Nato-Staaten wie Finnland bekommen ebenfalls Maschinen.
Die Produktion ist langfristig angelegt, wie auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst betonte. «Hier wird eine hochmoderne Fabrik gebaut, die über Jahrzehnte gute Arbeitsplätze sichern wird.» Bis zu 30 Rumpfmittelteile sollen pro Jahr fertig werden, im Umfeld des Standorts rechnet Rheinmetall mit 1500 zusätzlichen Jobs bei Zulieferern. «Das ist industriepolitisch ein starkes Zeichen und wunderbar für die Region», sagte Wüst. Mehrere Bundesländer hatten sich Hoffnungen auf den Standort gemacht, darunter Sachsen und Brandenburg, am Ende setzte sich NRW durch.
Rüstungsbranche: Unmut macht sich breit
Kommt die Ausgabe des 100 Milliarden Euro schweren Sondervermögens denn allmählich in die Gänge? In der Rüstungsbranche macht sich Unmut breit, dass es auch fast anderthalb Jahre nach Verkündung der Finanzmittel noch viel Unklarheit gebe. Firmenvertreter verweisen auf die Inflation und steigende Zinsen, wodurch der reale Wert des Sondertopfes schon geschrumpft sei.
Der oberste Beschaffer der Bundeswehr, Vizeadmiral Carsten Stawitzki, betonte Fortschritte bei der Verwendung des Milliardentopfes. Es seien bereits mehr als 30 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen vertraglich gebunden, Ende des Jahres werden es voraussichtlich gut zwei Drittel sein.
Viele neue Fabriken werden allerdings wohl nicht entstehen: Teilweise stemmten die Unternehmen Aufträge mit ihrer bestehenden Infrastruktur, etwa mit dem Wechsel vom Ein-Schicht- auf einen Zwei-Schicht-Betrieb, sagte Stawitzki in Weeze. «Damit kann man Produktionskapazitäten auch erhöhen.»
Es gebe aber weitere Beispiele, bei denen vor dem Hintergrund der 100 Milliarden Euro neue Produktionskapazitäten aufgebaut würden, sagte der Vizeadmiral. So hätten Nato-Staaten inklusive Deutschland mehr als 800 Lenkflugkörper für das Luftverteidigungssystem Patriot bestellt, woraufhin der US-Konzern Raytheon zusammen mit dem europäischen Rüstungshersteller MBDA in Schrobenhausen (Bayern) eine zusätzliche Fertigungslinie aufbauen werde. Der deutsche Anteil an der Bestellung werde aus dem Sondervermögen bezahlt, so Stawitzki.
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