Fair gehandelten Kaffee gibt es seit Jahren, den Grünen Knopf in der Textilbranche erst seit 2019 – doch wer macht sich beim Kauf einer schicken Uhr oder teurer Klunker Gedanken über Nachhaltigkeit?
Immer mehr Kundinnen und Kunden, sagt Guido Grohmann, Hauptgeschäftsführer des deutschen Industrieverbandes der Schmuck- und Uhrenbranche BVSU. «Der Handel hat erkannt, dass das Thema die Menschen umtreibt.» Deswegen steht Nachhaltigkeit im Fokus beim diesjährigen Juwelierkongresses, der am Sonntag in Pforzheim beginnt.
Dabei hat die Industrie laut Grohmann keinen Nachholbedarf. Aber es könnten einige Dinge besser gemacht werden. Vor allem gelte es zu überlegen, wie dem Endverbraucher das Engagement nahegebracht wird. Das gehe zum Beispiel schon beim Tablett los, auf dem ausgewählte Schmuckstücke präsentiert werden: lieber Holz statt Plastik.
Auch Joachim Dünkelmann vom Handelsverband Juweliere (BJV) erklärt: «Die Schmuck- und Uhrenbranche ist in Sachen Nachhaltigkeit schon viel weiter als es auf den ersten Blick scheint.» Ein verantwortungsvoller Umgang mit der Natur und natürlichen Ressourcen entscheide immer stärker über die Akzeptanz der Kunden. «Deshalb müssen wir das Thema offensiver nach draußen tragen.»
Geht um Vertrauen
Der Kongress solle beide Seiten – Industrie und Handel – zusammenbringen, sagt Mit-Organisatorin Christine Köhle-Wichmann von der Deutschen Schmuck und Uhren GmbH. Damit die eine erfährt, was die andere macht. Am Ende gehe es darum, Vertrauen zum Kunden aufzubauen.
Der soll künftig besser mitkriegen, was die Branche in puncto Nachhaltigkeit schon alles leistet: Ob sorgsamer Umgang mit Chemikalien, geschlossene Wasserkreisläufe in der Produktion oder Stoffsäckchen für den Transport statt Kunststoff. «Früher sollte die Verpackung groß und bunt sein, mit Metallband», sagt Köhle-Wichmann. Heute seien Naturpapier und Bast gefragt. Manche Händler arbeiteten dafür mit Firmen aus der Region zusammen – ein Pluspunkt mehr.
Grohmann verweist zudem auf eine hohe Recyclingquote beim Gold. Auf nahezu 100 Prozent beziffert diese die Fachvereinigung Edelmetalle für hierzulande produziertes Gold. Gerade beim Gold gibt es recht strenge Gesetze, die sich die Industrie gleichermaßen etwa bei im Labor unter hohem Energieverbrauch hergestellten Diamanten wünscht.
Umweltbezogene Werbeaussagen nicht erwünscht
In dem Zusammenhang begrüßen die hiesigen Spitzenverbände der Uhren-, Schmuck- und Edelsteinbranche ein von der EU-Kommission angeregtes Verbot allgemeiner umweltbezogener Werbeaussagen, wenn die «Umweltleistung» eines Produkts nicht nachgewiesen werden kann. In solchen Fällen werde in Deutschland bisher auf das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb verwiesen, sagt Grohmann. Je allgemeiner ein Gesetz formuliert sei, desto besser könne man sich aber rauswinden.
Bei Gold gebe es Zertifikate zu Produktionsstandards, die auch überprüft würden, bestätigt Philip Heldt, Umweltexperte der Verbraucherzentrale NRW. Bei Edelsteinen etwa sei das schwieriger, hier gebe es nichts Vergleichbares. Manche Händler versuchten zwar auf Internetseiten, so gut wie möglich über die Herkunft aufzuklären. «Aber das ist eben kein Massenmarkt wie die Fairtrade-Banane oder der Fairtrade-Kaffee, die es in jedem Supermarkt gibt.» Im Grunde müsste sich jeder Goldschmied für sich mit dem Thema auseinandersetzen.
Heldt sieht die Politik in der Pflicht. Das Lieferkettengesetz beziehe sich nur auf sehr große Unternehmen. «Die Schmuckindustrie ist da erstmal fein raus. Sie kann freiwillig mehr tun, muss es aber nicht.» Organisationen wie der Verein PowerShift, der sich für eine ökologisch-solidarische Energie- und Weltwirtschaft einsetzt, oder IPIS Research aus Belgien, die sich etwa mit verantwortungsvoller Beschaffung und Handel von Diamanten und anderen Mineralien auseinandersetzen, weisen immer wieder auf die begrenzten Möglichkeiten der Herkunftskontrolle bei den Rohstoffen hin.
Abbau von Gold problematisch
«Muss es überhaupt der Saphir sein, muss es Gold sein?», fragt Heldt von der Verbraucherzentrale. Aus anderen Materialien wie Edelstahl oder Holz lasse sich auch Schmuck machen. Oder man lasse Altgold einschmelzen. Da sei die Herkunft vielleicht auch nicht immer klar. «Aber unter dem Nachhaltigkeitsaspekt ist besser, nicht getragenen Schmuck zu nehmen als neues Gold.» Gerade der Abbau von Gold sei eine der umweltschädlichsten Rohstoffgewinnungen, mahnt der Fachmann. Aus einer Tonne Erzabbau lasse sich gerade einmal ein Gramm Gold gewinnen. Bei Silber seien es immerhin mehrere Kilogramm.
Für die Hersteller – oft kleine Betriebe mit wenigen Mitarbeitenden – bedeutet die Dokumentation der Einhaltung von großen Standards viel Fleißarbeit, macht Köhle-Wichmann deutlich. «Früher haben die über Nachhaltigkeit gesprochen, die da wirklich dran waren. Heute springen viele auf den Zug auf, aber nicht jeder erfüllt die Voraussetzungen.»
Manches Produkt werde teurer, wenn die Nachhaltigkeit berücksichtigt wird, räumt Grohmann ein. Wiederum könnten zum Beispiel Transportkosten gespart werden. «Diese Aspekte sind mit Blick auf den steigenden Goldpreis und die Inflation aber eher vernachlässigbar.»
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