Mit einem Gesetz für die beschleunigte Genehmigung von Flüssiggas-Importterminals will die Bundesregierung schneller von russischem Erdgas unabhängig werden.
«Eine der wenigen Möglichkeiten Deutschlands, auf dem Weltmarkt kurzfristig zusätzliche Gasmengen zu beschaffen, ist der Einkauf verflüssigten Erdgases (LNG)», heißt es in einem entsprechenden Papier zum geplanten Gesetz, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Das Bundeswirtschaftsministerium hat im Austausch mit dem Umwelt- und dem Justizministerium eine Formulierungshilfe für einen Gesetzentwurf zur Beschleunigung von LNG-Vorhaben in Norddeutschland erarbeitet und in die Ressortabstimmung gegeben, wie die Deutsche Presse-Agentur am Samstag aus Kreisen des Wirtschaftsministeriums erfuhr.
Hintergrund für das sogenannte LNG-Beschleunigungsgesetz ist der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, der die Lage auf den Energiemärkten zugespitzt hat. Das erhöhte Tempo bei Genehmigungen entspricht der Linie der Bundesregierung, die sich generell schnellere Planungsprozesse bei zentralen Zukunftsprojekten auf die Fahne geschrieben hat.
Gaslieferstopp für Polen und Bulgarien
Deutschland will sich von russischem Erdgas unabhängiger machen. Der von Russland initiierte Gaslieferstopp für Polen und Bulgarien am vergangenen Dienstag hat auch in Deutschland Befürchtungen vor einem solchen plötzlichen Schritt weiter geschürt. In dem Papier ist von einer «Ausnahmesituation» die Rede. Und die erfordert besondere Maßnahmen.
Konkret sollen Genehmigungsbehörden vorübergehend bestimmte Anforderungen, etwa bei der Umweltverträglichkeitsprüfung, unter speziellen Bedingungen aussetzen dürfen. Das Gesetz soll für schwimmende und landgebundene LNG-Importterminals gelten, die schneller genehmigt und in Betrieb genommen werden sollen. Für beide Varianten ist spezielle Infrastruktur nötig, etwa müssen sie an das Erdgasleitungsnetz angeschlossen und zum Teil müssen dafür auch Hafenanlagen angepasst werden. Im Gegensatz zu den stationären Anlagen lassen sich die schwimmenden Anlande- und Speicherplattformen, sogenannte Floating Storage and Regasification Units (FSRU), schneller installieren.
LNG ist für den Transport per Schiff verflüssigtes Erdgas. Nach Ankunft an der deutschen Küste muss es wieder regasifiziert werden, um es anschließend durch Rohre weiterleiten zu können.
Aus Regierungskreisen hieß es zuletzt, dass es Vertragsunterzeichnungen durch das Wirtschafts- und Klimaschutzministerium in Berlin für das Chartern von drei schwimmenden Terminals gebe. Das Chartern selbst übernehmen private Unternehmen. Es liefen derzeit auch Planungen und Vorbereitungen für Verhandlungen für ein viertes schwimmendes Terminal, hieß es. Die Bundesregierung will dafür in den kommenden zehn Jahren bis zu drei Milliarden Euro ausgeben.
Wo sollen LNG-Anlagen gebaut werden?
In Deutschland ist der Bau mehrerer LNG-Anlagen beider Varianten vorgesehen. In dem Papier werden konkret Brunsbüttel in Schleswig-Holstein und Wilhelmshaven in Niedersachsen als Standorte sowohl für die ortsfesten als auch für die schwimmenden LNG-Anlagen genannt. Es gebe aber auch weitere in Frage kommende Orte. «Ob die einzelnen Standorte dann realisiert werden, hängt von verschiedenen rechtlichen, fachlichen und wirtschaftlichen Faktoren ab», heißt es. Im Gespräch sind schon seit längerem als weitere Standorte etwa Rostock in Mecklenburg-Vorpommern und das niedersächsische Stade.
Niedersachsens Energieminister Olaf Lies sieht in dem geplanten Beschleunigungsgesetz für LNG-Terminals eine «sehr gute Grundlage» für die Realisierung der Vorhaben. «Wir müssen jetzt zeigen, dass wir mit einer neuen Deutschlandgeschwindigkeit die energiepolitische Umklammerung durch Russland zügig lösen», sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Es brauche beschleunigte Verfahren, um auch bei der Energieversorgung eine Zeitenwende einzuleiten. Das Beschleunigungsgesetz für den LNG-Ausbau werde nun auch den Maßstab setzen für noch ausstehende Beschleunigungsgesetze etwa für den Ausbau der Windenergie an Land und auf See sowie für Photovoltaik und benötigte Stromnetze, sagte Lies.
Michael Kruse, energiepolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, lobte am Samstag die Planungen als «lang ersehnten Durchbruch». «Durch die Standortauswahl für schwimmende Terminals schaffen wir einen gesetzlichen Rahmen, um noch in diesem Jahr LNG über die norddeutschen Häfen anlanden zu können», sagte Kruse der dpa.
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