Bundesregierung und Sozialpartner wollen im Schulterschluss einen drohenden Abschwung in Deutschland verhindern. «Die aktuelle Krise wird nicht in wenigen Monaten vorübergehen», sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach dem Auftakt der konzertierten Aktion im Kanzleramt in Berlin.
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sagte: «Vor uns liegen schwierige Jahre.» Es gehe darum, eine Rezession zu verhindern, stellte DGB-Chefin Yasmin Fahimi heraus. Ergebnisse des von Scholz initiierten Dialogs mit den Sozialpartnern soll es im Herbst geben.
Scholz verwies auf Russlands Krieg in der Ukraine und die durch die Pandemie gestörten Lieferketten. Generelle Unsicherheit sei die Folge. «Wir müssen uns darauf einstellen, dass sich diese Lage auf absehbare Zeit nicht ändern wird», sagte Scholz. «Wir stehen vor einer historischen Herausforderung.»
Scholz: «Wir werden als Land durch diese Krise nur gut durchkommen, wenn wir uns unterhaken, wenn wir gemeinsam uns auf Lösungen einigen.» Wichtig sei ihm die Botschaft: «Wir stehen zusammen.»
Stetiges Wachstum «keine Selbstverständlichkeit mehr»
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sagte: «Dieses Land steht vor der härtesten wirtschafts- und sozialpolitischen Krise seit der Wiedervereinigung.» Die Krise könne nur gemeinsam bewältigt werden. «Ein stetiges Wirtschaftswachstum, wie wir es vor Corona und dem Ukraine-Krieg erlebt haben, ist keine Selbstverständlichkeit mehr.»
DGB-Chefin Yasmin Fahimi sagte: «Es geht um die Perspektive 2023, und es geht allem voran darum, jetzt alles zu unternehmen, um eine Rezession zu verhindern, Standorte zu stabilisieren, Wertschöpfungsketten zu erhalten und Beschäftigung zu sichern.»
Scholz betonte, zum Auftakt sei es zunächst darum gegangen, ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln. Entsprechend stellten Fahimi und Dulger fest, dass die Inflation derzeit nicht lohngetrieben sei. «Löhne sind aktuell kein Inflationstreiber, aber die Menschen spüren die Inflation», so Dulger. Die Tarifpartner könnten einen Teil der Inflation für die Beschäftigten auffangen. «Das passiert nicht im Kanzleramt», betonte Dulger. Ähnliche Mahnungen waren im Vorfeld auch von Gewerkschaften gekommen.
«Aktuell sehen wir die Inflationstreiber auf der Angebotsseite: Energiekosten, Rohstoffknappheit, fehlende Vorprodukte durch unterbrochene Lieferketten», sagte Dulger. Energiesteuern und Netzentgelte könnten gute Hebel sein, um steigende Energiepreise in den Griff zu bekommen.
Unterschiedliche Akzente
Fahimi lobte die Wirkungen der bisherigen Entlastungspakete im Volumen von 30 Milliarden Euro. Ein durchschnittlicher Arbeitnehmerhaushalt wird ihren Angaben nach um 1000 Euro entlastet. «Die Belastungen für die Privathaushalte gehen trotzdem deutlich darüber hinaus.» Im Vorfeld hatte Fahimi einen Energiepreisdeckel gefordert.
Dulger betonte, die Politik könne durch eine Absenkung von Steuern und Sozialabgaben dafür sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger «mehr netto vom brutto» bekämen. Die Arbeitgeber hätten zudem eine Beseitigung der sogenannten kalten Progression bei den Steuern vorgeschlagen. Die Aufgabe der Arbeitgeber sei es, Wirtschaft und Arbeitsmarkt stabil zu halten. «Das ist an sich schon eine (…) Herkulesaufgabe», sagte Dulger. «In den Unternehmen wissen wir aktuell nicht, welches Feuer wir zuerst austreten sollen.»
So soll es weitergehen
Scholz sprach von einem «guten Auftakt» und bekräftigte, dass es nun derartige Treffen in regelmäßigen Abständen geben solle. Ausgetretene Pfade müssten verlassen werden. Es brauche einen «Geist der Gemeinsamkeit». Laut einem Regierungssprecher soll es im Herbst Ergebnisse geben.
Einmalzahlung und Umverteilung
Wenig Begeisterung hatte es bei den Gewerkschaften ausgelöst, als berichtet wurde, Scholz wolle die Beschäftigten mit einer Einmalzahlung entlasten. Die Unternehmen sollten die abgabenbefreit leisten. Die Gewerkschaften sollten Lohnzurückhaltung üben. Doch schon am Wochenende wies Scholz die Berichte zurück.
Die Grünen und Sozialverbände pochten auf Entlastungen von Bedürftigen und Geringverdienenden. Ihr stellvertretender Fraktionsvorsitzender Andreas Audretsch brachte dafür einen Beitrag durch die besonders Wohlhabenden ins Spiel gebracht. «Alle müssen sich nun die Frage stellen, wie sie einen Beitrag leisten können», sagte Audretsch der Deutschen Presse-Agentur. «Das gilt vor allem für die, die sehr viel haben, für die Reichsten.»
FDP gegen mehr Ausgaben und höhere Steuern
Finanzminister Christian Lindner lehnt mehr Schulden und höhere Steuern aber ab. Dies «wäre toxisch und ein Verarmungsprogramm», sagte der FDP-Chef der Deutschen Presse-Agentur. Auch kräftige Erhöhungen der Staatsausgaben kommen für ihn nicht in Frage. «Ein zentraler Beitrag des Staates ist, durch solide Finanzen zusätzlichen Preisdruck zu vermeiden.»
Der Staat müsse die Ursachen der Inflation bekämpfen. «Zugleich sollten wir preistreibende Subventionen reduzieren und alles tun für günstigere Energie.»
Weitere Vorschläge
Das von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vorgeschlagene soziale Klimageld dürfte bei der konzertierten Aktion wieder auf den Tisch kommen. Einmal im Jahr soll dem Vorschlag zufolge so ein Klimageld gezahlt werden – für Alleinstehende, die weniger als 4000 Euro brutto im Monat verdienen, und für Verheiratete mit zusammen weniger als 8000 Euro. Der CDU-Sozialflügel forderte eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel.
Die neuen Linke-Vorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan verlangten in der «Süddeutschen Zeitung» einen Preisdeckel für Grundnahrungsmittel. Nicht zufrieden mit der konzertierten Aktion ist der Bundesverband Mittelständische Wirtschaft. Geschäftsführer Markus Jerger sagte den Sendern RTL/ntv, nötig sei ein Gesellschaftsgipfel, bei dem auch Logistiker, Produzenten und Mittelstand dabei seien.
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