Das Bundeskartellamt soll mehr «Biss» bekommen – und Verbraucher mehr Schutz vor überhöhten Preisen. Das Bundeskabinett brachte am Mittwoch eine Reform des Wettbewerbsrechts auf den Weg. Das Kartellamt soll mehr Eingriffsrechte bekommen. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte in Berlin, Ziel des Gesetzes sei es, Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen – «also dafür zu sorgen, dass die Preise nicht künstlich hochgehalten werden». Justizminister Marco Buschmann (FDP) sprach von einem Kartellamt «mit Biss». Kritik an den Plänen kam aus der Opposition und der Wirtschaft.
Mit den geplanten Änderungen beim Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen sollen Störungen des Wettbewerbs im Sinne der Verbraucher besser abgestellt werden können, so das Wirtschafts- sowie das Justizministerium. Die Eingriffsinstrumente des Kartellrechts sollten geschärft werden – dort, wo die Marktstruktur dem Wettbewerb entgegenstehe, etwa weil es nur wenige Anbieter im Markt gebe und regelmäßig parallele Preisentwicklungen zu Lasten der Verbraucher zu beobachten seien.
Auslöser für die Reform war die Preisexplosion beim Sprit vor einem Jahr. Damals hatte es aus Kreisen des Wirtschaftsministeriums geheißen, als die Ölpreise zurückgegangen seien, seien die Benzinpreise nicht im entsprechenden Maß gesunken. Inzwischen sind die Spritpreise wieder gesunken.
Behörde soll «scharfes Schwert» erhalten
Bisher kann das Kartellamt bei kartellrechtlichen Verstößen eingreifen, wie Habeck sagte. Eingeführt werden soll nun ein neues Instrument: Das Kartellamt soll laut Gesetzentwurf dann auch in Fällen erheblicher und fortwährender «Störungen» des Wettbewerbs eingreifen können. Genannt wird etwa eine einseitige Angebots- oder Nachfragemacht.
Das Kartellamt soll verschiedene Maßnahmen anordnen können. So sollen Marktzugänge erleichtert und Konzentrationstendenzen gestoppt werden. Als «ultima ratio» (letztes Mittel) sollen in «Extremfällen» Unternehmen entflochten werden können. Buschmann sagte, dieses «scharfe Schwert» solle nur unter sehr engen Voraussetzungen greifen können.
Das Kartellamt soll außerdem im Fall von Kartellrechtsverstößen leichter «unzulässig erworbene Gewinne» abschöpfen können, wie Habeck sagte. Die Anwendung der geplanten neuen Eingriffsinstrumente sollten sich nicht auf Fälle von besonderer Innovationskraft beziehen, sagte er mit Blick auf das Unternehmen Biontech, das einen Corona-Impfstoff entwickelt hatte.
Der Präsident des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt, begrüßte das Ziel, das Kartellrecht noch schlagkräftiger zu machen. Die nun geplante neue Eingriffsbefugnis sei aber im Vergleich zum «ambitionierten» ursprünglichen Entwurf des Wirtschaftsministeriums deutlich enger.
Wirtschaft reagiert kritisch
Der CSU-Wirtschaftspolitiker Hansjörg Durz kritisierte, das Bundeskartellamt solle einen «Blankoscheck» zur Bekämpfung von Marktmacht bekommen. Unternehmen könnten nicht mehr klar absehen, ab welcher Größe oder durch welche Verhaltensweisen sie in den Fokus des Kartellamtes geraten.
Der Chefjustiziar der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Stephan Wernicke, sprach von einem Paradigmenwechsel hin zur staatlichen Marktgestaltung als letztes Mittel. «Rechtmäßiges Handeln schützt Unternehmen nicht mehr vor staatlicher Intervention, sobald das Bundeskartellamt in seinem weiten Ermessen den Wettbewerb über einen längeren Zeitraum als gestört ansieht.» Dirk Jandura, Präsident des Außenhandelsverbandes BGA, warf der Bundesregierung vor, sie schade dem Wirtschaftsstandort Deutschland. Rechtskonform handelnde Unternehmen müssten massive Eingriffe des Bundeskartellamts bis hin zur Zerschlagung befürchten.
Dagegen sagte Grünen-Chef Omid Nouripour, das Wettbewerbsrecht werde zielgenauer und schlagkräftiger. «So können wir in Zukunft Verbraucherinnen und Verbraucher vor künstlich überhöhten Preisen schützen.» SPD-Fraktionsvize Verena Hubertz sagte, missbräuchlichen Praktiken und Gewinnen, die durch eine Marktstörung zustande kommen, sollten klare Schranken gesetzt werden. «Preisexplosionen wie zuletzt bei Kraftstoffen infolge des russischen Angriffskriegs dürfen sich nicht wiederholen.» Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch kommentierte: «Das Wettbewerbsrecht kriegt Zähne und das ist angesichts der wachsenden Macht weniger großer Unternehmen gut so.»
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