Weniger Geschenke, kleinere Weihnachtsbäume und preiswerteres Festessen: Viele Menschen in Deutschland müssen angesichts der hohen Inflation zu Weihnachten den Gürtel enger schnallen. Im Handel sorgt das für Unruhe. Rund 70 Prozent der Händler rechnen nach einer Branchenumfrage des Handelsverbandes Deutschland (HDE) mit einem schlechteren Weihnachtsgeschäft als im Vorjahr.
Tatsächlich scheint sich Deutschland auf Spar-Weihnachten einzustellen: Mehr als die Hälfte der Verbraucherinnen und Verbraucher wollen in diesem Jahr angesichts der hohen Energie- und Lebensmittelpreise weniger Geld für Weihnachtsgeschenke ausgeben oder sogar ganz darauf verzichten. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur hervor.
Die Hälfte will weniger oder nichts ausgeben
Jeder Fünfte will demnach «deutlich weniger» Geld für Weihnachtsgeschenke in die Hand nehmen. Weitere 22 Prozent planen «etwas weniger» auszugeben. Immerhin 8 Prozent gaben an, im Gegensatz zu früher sogar ganz auf Geschenke verzichten zu wollen. Aber nicht nur bei den Geschenken, auch rund um das Fest wollen viele den Gürtel enger schnallen. Jeder Fünfte (18 Prozent) will dieses Jahr auf einen Weihnachtsbaum verzichten oder zumindest ein kleineres Exemplar kaufen. Rund 17 Prozent der Befragten wollen weniger für das Weihnachtsessen ausgeben.
Im Handel lässt das die Alarmglocken schrillen. Denn für viele Händler, egal ob sie Schmuck, Spielwaren, Elektronik oder Mode verkaufen, sind die Wochen vor dem Fest die wichtigsten des Jahres. Normalerweise sitzt in dieser Zeit das Geld deutlich lockerer als sonst. Doch diesmal könnte es anders sein.
Der HDE geht davon aus, dass die Einzelhandelsumsätze im November und Dezember real – also bereinigt um die Preissteigerungen – um 4 Prozent unter dem Vorjahresniveau liegen werden. Nominal werde der Umsatz aufgrund der hohen Inflation allerdings um 5,4 Prozent auf rund 120,3 Milliarden Euro steigen. «Die Umsätze wachsen nur über die inflationsbedingt steigenden Preise», sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Für den Handel sei es eine schwierige Zeit.
Auch Onlinehandel betroffen
Selbst der in der Corona-Krise erfolgsverwöhnte Onlinehandel ist nicht immun gegen die Konsumflaute. Die E-Commerce-Umsätze dürften im Weihnachtsgeschäft der HDE-Prognose zufolge zwar nominal um 1,4 Prozent steigen. Real – also inflationsbereinigt – drohe aber auch dem Onlinehandel ein Minus von 4,5 Prozent.
Tatsächlich rechnet der Bundesverband Paket & Expresslogistik (Biek) im November und Dezember mit deutlich weniger E-Commerce-Paketen als noch im Vorjahr. Erwartet werden nur 415 Millionen Sendungen von Firmen an Verbraucher – rund 30 Millionen weniger als im Vorjahr.
«Stimmungsbarometer» sinkt weiter
Fakt ist: Geld ist in vielen Haushalten derzeit so knapp wie lange nicht mehr. Das am Donnerstag veröffentlichte «Stimmungsbarometer 2023» der Postbank macht deutlich, wie sehr sich die finanzielle Situation für viele Haushalte seit Jahresbeginn verschlechtert hat. Noch im Januar gaben 11 Prozent der Befragten an, wegen der gestiegenen Preise kaum noch die Ausgaben für die eigene Lebenshaltung bezahlen zu können. Im September war dieser Anteil bereits auf über 18 Prozent gestiegen.
Hinzu kommt: Fast zwei Drittel der Befragten (62,1 Prozent) rechnen im kommenden Jahr mit einer Verschlechterung ihrer finanziellen Situation. Zum Vergleich: Vor einem Jahr waren es nur 26 Prozent. Seit dem Start der Postbank-Umfrage im Jahr 2015 sei noch nie ein solches Ausmaß an Pessimismus beobachtet worden, berichteten die Meinungsforscher.
Innenstädte besonders belastet
Die daraus resultierende Konsumflaute trifft gerade in den Einkaufsstraßen der Innenstädte viele Händler besonders hart, die noch immer unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie leiden. Nach aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) lag der Umsatz des stationären Einzelhandels mit Bekleidung in den ersten neun Monaten dieses Jahres noch immer um real 11 Prozent unter dem Vor-Corona-Jahr 2019. Im Buchhandel lag das Minus bei 21 Prozent, im Spielwarenhandel bei 17,5 Prozent und im Handel mit Unterhaltungselektronik bei 7,4 Prozent.
Der Handelsverband Deutschland bekräftigte angesichts dieser Zahlen seine Prognose, dass in diesem Jahr bis zu 16.000 Geschäfte ihre Türen für immer schließen könnten. Besonders spürbar sei diese Entwicklung in Stadtteilzentren, aber auch in kleineren und mittleren Gemeinden.
Was die Renner im Weihnachtsgeschäft angeht, hat sich trotz aller politischen und wirtschaftlichen Turbulenzen allerdings erstaunlich wenig verändert. Besonders beliebt als Präsente sind nach einer aktuellen HDE-Verbraucherbefragung wie in den Vorjahren Geschenkgutscheine, Spielwaren, Bücher, Kosmetik, Bekleidung und nicht zuletzt Bargeld.
Für den Handel ist dieses Stück Normalität vielleicht sogar ein Hoffnungssignal, dass beim Weihnachtseinkauf am Ende doch eigene Gesetze gelten. Branchensprecher Genth jedenfalls versicherte: «Wir schreiben das Weihnachtsgeschäft nicht ab.»
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