Die Lage ist top und der Laden kostet vorerst keine Miete. Mitten in der Bremer Innenstadt haben drei Freunde ein nachhaltiges Kaufhaus mit fair produzierten, recycelten und plastikfreien Produkten eröffnet.
Auf der rund 600 Quadratmeter großen Ladenfläche in der Fußgängerzone gibt es zudem ein Café und Platz für Veranstaltungen. «Wir wollen einen Begegnungsort haben», sagt Diplom-Kaufmann Urs Siedentop über das Kaufhaus «ekofair». Dass er und seine Kollegen bis Ende März 2022 keine Miete zahlen müssen, liegt an einem Innenstadt-Programm des Bremer Senats. Und an überzeugenden Plänen, denn bei einem Wettbewerb für einen sogenannten Concept-Store setzten sie sich gegen 32 Mitbewerber durch. Ziel war ein «Konzeptladen», der viele innovative Ideen und Anbieter unter einem Dach vereint.
Bundesweit suchen Politikerinnen und Politiker nach Lösungen, um Leerstand in den Innenstädten zu vermeiden. Zwischennutzungen haben dabei an Bedeutung gewonnen, wie Sandra Wagner-Endres vom Deutschen Institut für Urbanistik in Berlin sagt. In den vergangenen Jahren seien sogenannte Concept- und Pop-up-Stores in Großstädten zum Trend geworden. Läden, die zunächst für einen begrenzten Zeitraum öffnen, gehören der Wissenschaftlerin zufolge zum Stadtmarketing, um Menschen in die Innenstädte zu ziehen. Das Konzept bietet demnach viele Vorteile. Gründerinnen und Gründer können ihre Produkte testen, Kommunen ihre Städte beleben und Leerstand vermeiden, Eigentümer erhalten Miete. Dass Städte im Rahmen von Förderprogrammen regionalen Produzenten kostenfreie Flächen zur Verfügung stellen, könne die lokale und regionale Wirtschaft unterstützen.
Die Pandemie hat die Bedeutung von Pop-up-Stores verstärkt, wie das Bundeswirtschaftsministerium mitteilt. «Durch die Corona-Krise haben die Besucherzahlen in den Innenstädten stark abgenommen», schreibt eine Sprecherin auf Nachfrage. Der stationäre Einzelhandel sei stark betroffen, Ladensterben und Leerstand seien die Folgen. «Pop-up-Stores können Abwechslung zu bestehenden Sortimenten bieten und damit wieder mehr Besucher in die Innenstädte ziehen», so die Sprecherin. Dies komme auch anderen Geschäften zugute.
Die Erfahrungen im kleinsten Bundesland, das leere Ladenflächen jüngst über Wettbewerbe an Menschen mit besonderen Konzepten vermittelt hat, werden bundesweit beachtet. Denn gemeinsam mit anderen Städten beteiligt sich Bremen an der Initiative Stadtlabore des Bundeswirtschaftsministeriums. Dabei testen Städte innovative Ideen und teilen ihre Ergebnisse. «Das Ministerium steht in engem Austausch mit Bremen über die dortigen Maßnahmen zu Steigerung der Attraktivität der Innenstadt», so die Sprecherin in Berlin. Das nachhaltige Kaufhaus wird auf der Internetseite des Ministeriums als ein Beispiel zur Belebung von Innenstädten genannt.
Neben diesem Concept-Store gibt es in Bremen drei Pop-up-Stores, die Flächen über einen Wettbewerb des Wirtschaftsressorts erhalten haben. Zehn Monate lang können sich die Gewinner kostenfrei in der Innenstadt ausprobieren. «Wir sind super glücklich über diese Chance», sagt Max Maurer, der mit zwei Kollegen Geschäftsführer von «m:pura» ist und 3D-Lichtobjekte und LED-Leuchtkästen verkauft. «Jetzt können wir unsere Sachen einem breiten Publikum zeigen.» Ein weiterer Pop-up-Store bringt regelmäßig neue Modelabel nach Bremen, ein anderer verkauft Second-Hand-Damenmode im skandinavischen Stil.
Aus Sicht des Bremer Wirtschaftsressorts sind Concept- und Pop-up-Stores ein Symbol für den Wandel der Innenstädte. «Sie stehen für Innovation, Moderne und lokale/regionale Identität, da sie meist inhabergeführt sind und lokale Produkte anbieten», teilt Sprecher Christoph Sonnenberg mit. «Nachteile ergeben sich kaum, weil durch die Förderung neue, innovative Konzepte frische Ideen in die Stadt bringen, die es wahrscheinlich ansonsten so nicht gegeben hätte.» Demnach ist während der Corona-Pandemie in vielen Städten ein positiver Druck zum Handeln entstanden. «Wir müssen schnell und entschieden mit unterschiedlichen Ansätzen reagieren, damit ein erfolgreicher Re-Start in unseren Innenstädten nach der Corona-Krise gelingt», sagt die Bremer Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke).
Ob das Konzept aufgeht, wird sich im Laufe der kommenden Monate zeigen. «Ohne eine Anschlussnutzung ist die Gefahr von temporären Leerständen nicht gelöst», sagt Wagner-Endres vom Deutschen Institut für Urbanistik. Geschäftsführer Siedentop ist zuversichtlich. «Wenn sich das so weiter entwickelt, bin ich sicher, dass wir schnell wirtschaftlich werden und das nachhaltige Kaufhaus weiter betreiben können», sagt er. «Wir werden im Herbst mit dem Vermieter sprechen.» Auch Geschäftsführer Maurer von «m:pura» hofft, dass sein Laden kein klassischer Pop-up-Store bleibt, der für eine befristete Zeit öffnet und dann wieder verschwindet. «Unser Ziel ist, dauerhaft in der Innenstadt zu bleiben.»
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