21. November 2024

Börsenprofi

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Starkes Gehaltsgefälle unter Topmanagern

Hungern muss kein Spitzenmanager in Deutschland - die Einkommensunterschiede in den Chefetagen der Dax-Konzerne sind aber erstaunlich groß. Der Top-Verdiener bekommt schon mal das Zwanzigfache des Letztplatzierten.

In den Chefetagen der Dax-Konzerne herrscht ein großes Gehaltsgefälle: Bestbezahlter Manager der deutschen Börsen-Oberliga war im vergangenen Jahr mit umgerechnet gut 47 Millionen Euro Linde-Chef Steve Angel.

Der US-Manager verdiente damit mehr als das Zwanzigfache des SAP-Vorstandsvorsitzenden Christian Klein mit knapp 2,2 Millionen am unteren Ende der Tabelle – obwohl der Nettogewinn des Walldorfer Softwareherstellers mit über fünf Milliarden Euro dreimal so hoch ausfiel wie bei Linde. Das hat eine dpa-Auswertung der Vorstandsvergütung der aktuell im Dax notierten Konzerne ergeben.

Leichte Einkommenseinbußen wegen Corona

Viele Vorstandschefs mussten coronabedingt leichte Einkommenseinbußen hinnehmen. Doch werden diese nicht von Dauer sein, wie aus den Vergütungsberichten der Unternehmen hervorgeht.

Der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) unterscheidet in seiner Fassung von 2017 zwischen «Zufluss» und «Zuwendungen». Zufluss bezeichnet die Zahlungen samt Pensionszusagen, die ein Vorstand in einem Jahr erhält, inklusive Langfristboni der Vorjahre. Die Zuwendungen hingegen beinhalten die Langfristboni, die ein Manager für 2020 zugewiesen bekommt, aber Jahre später kassiert.

Adidas-Chef bekommt 3,5 Millionen Euro weniger

Die Zuflüsse von 15 Dax-Chefs sind im vergangenen Jahr gesunken – bei manchen minimal, bei anderen ganz erheblich: Adidas-CEO Kasper Rorsted etwa verdiente 3,5 Millionen Euro weniger, Munich Re-Vorstandschef Joachim Wenning büßte im Vergleich zum Vorjahr 2,3 Millionen ein.

In Summe stieg das Einkommen der CEOs zwar von 194 auf knapp 242 Millionen Euro, doch ist das allein auf zwei Ausreißer zurückzuführen: Angel und den Zweitplatzierten Niklas Östberg. Der Chef des verlustreichen Lieferdiensts Delivery Hero verdiente 45,7 Millionen – im Vorjahr waren es gerade einmal 350 000 Euro gewesen. Zu verdanken hatte Östberg diesen spektakulären Einkommenssprung der Tatsache, dass er 566.600 Aktienoptionen zu Geld machte.

Zuwendungen sind bei allen gestiegen

Die Zuwendungen aber sind bei allen gestiegen. Auch SAP-Chef Klein darf auf bessere Zeiten hoffen: Seine Zuwendungen für 2020 belaufen sich auf 9,2 Millionen Euro. Insgesamt summieren sich die Zuwendungen der Dax-Konzerne für ihre Vorstandschefs auf 182 Millionen Euro, knapp 15 Millionen mehr als 2019.

Topverdiener Angel von Linde blieb mangels Vergleichbarkeit des Geschäftsberichts bei dieser Berechnung außen vor. Denn Linde ist kein deutsches Unternehmen mehr, die Konzernbilanz nach irischem Recht abgefasst. Zweite Ausnahme ist Siemens Energy, aus einem ganz anderen Grund: Das Unternehmen wurde erst 2020 aus dem Mutterkonzern herausgelöst und hat daher noch keine Jahresbilanz vorgelegt. Die übrigen 28 Dax-Unternehmen haben die Bezahlung ihrer Vorstände voll dokumentiert.

Die Unterscheidung von Zufluss und Zuwendungen hat ihren Grund, denn die Vergütung der Spitzenmanager setzt sich aus fünf Bestandteilen zusammen: Fixgehalt, Kurzfristbonus, Langfristbonus, Altersvorsorge und Nebenleistungen – unter letztere Kategorie fallen unter anderem Dienstwagen und Versicherungen.

«Es gibt kaum etwas Intransparenteres als die Vorstandsvergütung», sagt Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Aktionärsvereinigung DSW und Mitglied der DCGK-Regierungskommission. «Die Grundidee ist „pay for performance“, aber das Problem dabei ist, dass die Vergütung auf drei bis vier Jahre gestreckt ist.»

Vier Dax-Chefs verdienten 2020 weniger als drei Millionen Euro (Zufluss), drei hingegen zweistellige Millionenbeträge: Neben Angel und Linde war Post-Chef Frank Appel mit knapp über zehn Millionen der dritte im Bunde der Bestverdiener.

Kein Zusammenhang zwischen Gehalt und Gewinn

Wer glaubt, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Höhe der Vorstandsgehälter und Unternehmensgewinnen besteht, der irrt. Im Krisenjahr 2020 ließ die Corona-Krise die Profite vieler Dax-Firmen dahinschmelzen: Die auf die Aktionäre entfallenden Nettogewinne sanken um knapp 38 Milliarden auf 41,5 Milliarden Euro, nahezu eine Halbierung. Im Vergleich dazu ging die Gesamtvergütung der Vorstände – Chefs und Vorstandsmitglieder – nur geringfügig zurück: von 606 auf 571 Millionen Euro.

«Dass sich kurzfristige Umsatzeinbrüche nicht so stark in der Vergütung widerspiegeln, will auch der Gesetzgeber so», sagt Tüngler. «Die Vorstände sollen nicht so sehr auf den kurzfristigen Profit des Unternehmens blicken, sondern es soll dem Unternehmen langfristig gut gehen.»

Die Zahlen zur Gesamtvergütung spiegeln allerdings nur einen Teil dessen wider, was das Topmanagement die Unternehmen wirklich kostet. Viele Dax-Konzerne geben bei den Gesamtbezügen die Zahlungen für die Altersvorsorge nicht an. Hinzu kommen Zahlungen an Ex-Vorstände, die in mehreren Dax-Konzernen ein Drittel bis die Hälfte dessen betragen, was die Aktiven bekommen.

Abgesehen davon gibt es hochprofitable Unternehmen mit eher bescheidenen Vorstandsgehältern, bei anderen leiden die Spitzenmanager finanziell deutlich unter schlechten Ergebnissen. Bei BMW etwa haben sich die Gesamtbezüge der Vorstandsmitglieder von 2017 bis 2020 von 40 auf 20 Millionen Euro halbiert.

Von Carsten Hoefer, dpa