In weiten Teilen des Harzes stehen nur noch die Stämme der abgestorbenen Fichten – Trockenheit, Schädlinge und Stürme haben in den vergangenen Jahren zugeschlagen. «Ein Großteil der Fichten im Harz sind schon abgestorben. Da ist nicht mehr viel. Da kann auch nicht mehr viel verschwinden», sagte Ulrike Talkner, die die Abteilung Umweltkontrolle bei der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt (NW-FVA) leitet, der Deutschen Presse-Agentur. Im Harz werden die Folgen des Klimawandels besonders deutlich, auch weil im dortigen Nationalpark die Natur sich selbst überlassen bleibt. Das Grün muss sich erst wieder zurückkämpfen.
Wie stark etwa Insekten insbesondere den Nadelbäumen zusetzen, zeigen Daten, die das Statistische Bundesamt am Mittwoch herausgegeben hat. Im vergangenen Jahr waren Insektenschäden in 60 Prozent der Fälle die Ursache für den durch Waldschäden bedingten Holzeinschlag, teilte das Statistische Bundesamt am Dienstag mit. Im Vorjahr hatten die Statistiker den Rekordwert von 81 Prozent gemeldet. Seit 2016 ist der Befall mit Schädlingen die Hauptursache für den Schadholzeinschlag.
Wind-und Sturmschäden spielen eine große Rolle
Die Entwicklung der kommenden Jahre ist aus Talkners Sicht nicht vorhersehbar. «In vielen Regionen steht aber noch Fichte und dort ist der Borkenkäfer auch wieder zugange», sagte die Expertin, die an Waldzustandsberichten für mehrere Bundesländer beteiligt ist. Wie es weitergehe, komme extrem auf die Witterung an. Folgten mehrere feuchte und kühle Jahre, könne sich die Lage wieder entspannen. Von einer kompletten Entwarnung gehe sie aber nicht aus, denn der Klimawandel sei grundsätzlich da. Und nicht nur der Borkenkäfer schädige die Bäume, sondern auch andere Insekten und Pilze.
Und nicht nur das: Im vergangenen Jahr spielten mit gut einem Viertel auch Wind- und Sturmschäden eine große Rolle – ihr Anteil kann von Jahr zu Jahr stark variieren. Seit 2020 erfassen die Statistiker auch Trockenheit als Ursache. Seitdem ist dieser Anteil von 5,2 auf 8,1 Prozent gestiegen. In der Summe wurden im vergangenen Jahr bundesweit 44,7 Millionen Kubikmeter Schadholz eingeschlagen. Insgesamt lag die Menge des Holzeinschlags bei 78,7 Millionen Kubikmetern.
Die Bäume leiden unter Trockenstress
Durch den Klimawandel sind Dürren häufiger und heftiger geworden. Die Zeiträume ohne Niederschläge werden länger. «Der Klimawandel und insbesondere sein Einfluss auf die Trockenheit der letzten Jahre hat einen immer größeren Anteil an diesen Schäden und auch an der Zusammenwirkung der verschiedenen Schadfaktoren», sagte der Wald-Experte Christopher Reyer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung der Deutschen Presse-Agentur. Ein weiterer Grund für die hohen Schäden sei, dass Wälder in Deutschland und Europa in den wenigsten Fällen natürlich seien – dadurch könnten sie oft auch schlechter Schäden abpuffern.
Besonders prekär ist die Lage der Wälder in Sachsen-Anhalt laut Talkner, weil die Bodenwasserspeicher über die Winter nicht mehr aufgefüllt werden. Das sei auch in diesem Jahr nach den vermeintlich regenreichen zurückliegenden Monaten so. Die Bäume litten unter sogenanntem Trockenstress und seien anfälliger für Schädlinge.
Wald-Experte Reyer fordert, aus den Schäden der vergangenen Jahre Konsequenzen zu ziehen und Wälder widerstandsfähiger zu gestalten. Man müsse die Bewirtschaftungsziele anpassen und mehr Raum für natürliche Prozesse lassen und «die Anforderungen einer sich verändernden Welt» berücksichtigen, sagte der Experte.
Dem Umweltbundesamt zufolge hat bereits an etlichen Orten der Waldumbau begonnen. Mit dem Aufbau von Mischwäldern werde versucht, den Wald resistenter zu machen. Anfälligere Monokulturen sollen hingegen vermieden werden.
Der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände, Jürgen Gaulke, sagte: «Die Zahlen sind erschreckend, aber nicht überraschend». Bei nun rund 600 000 Hektar geschädigter Waldfläche in Deutschland belaufe sich der Schaden auf rund 20 Milliarden Euro. Es gehe um vernichtetes Holz ebenso wie um den verlorenen CO2-Speicher und Wirtschaftsfaktoren wie den Tourismus. Insbesondere für Besitzer kleiner Flächen sei die Wiederaufforstung eine erhebliche finanzielle Last. Pro Hektar werden laut Gaulke 5000 und 10 000 Euro fällig. Das gebe ein Wald wirtschaftlich nicht her.
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