21. November 2024

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Trotz Fachkräftemangels hält die Ausbildungsflaute an

Immer weniger junge Menschen beginnen in Deutschland eine Ausbildung. Die Corona-Pandemie hat diese langjährige Tendenz verschärft. Politik und Verbände warnen vor den Folgen.

Die Corona-Krise hat am deutschen Ausbildungsmarkt tiefe Spuren hinterlassen und zu einer anhaltenden Flaute geführt. Noch nie seit der Wiedervereinigung standen in Deutschland weniger junge Menschen in einem Ausbildungsverhältnis als zum Jahresende 2022, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch berichtete. Nur 1,216 Millionen Auszubildende sind auch das Ergebnis fehlender Praktika und Kontaktmöglichkeiten während der Pandemie, gleichzeitig aber auch Ausdruck einer schon länger anhaltenden Krise des dualen Ausbildungssystems.

Junge Menschen entscheiden sich immer seltener für eine duale Ausbildung: Trotz dringend benötigtem Fachkräftenachwuchs wurden im vergangenen Jahr mit 468.900 Verträgen deutlich weniger neue Ausbildungen begonnen als im letzten Vorkrisenjahr 2019 mit 510.900 Neuverträgen. Die geringe Steigerung um 0,6 Prozent gegenüber 2021 kann die Lücken der Vorjahre nicht ausgleichen. Zehn Jahre zuvor waren es noch fast 100.000 Neuverträge pro Jahr mehr (2011: 561.100).

Fachkräfte fehlen

Dabei würde der Nachwuchs wie auch qualifizierte Zuwanderer dringend gebraucht: Fachkräfte fehlen in Deutschland an allen Ecken und Enden. Kaum ein Tag vergeht, ohne dass eine Branche vor schwerwiegenden Folgen warnt: Kranke und Alte können bald nicht mehr gepflegt werden, Schwimmbäder müssen perspektivisch schließen und auch die Klimawende im Heizungskeller droht an fehlenden Installateuren zu scheitern.

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks zeichnet ein dunkles Bild, demzufolge im Handwerk 250.000 Fachkräfte fehlen, 30.000 Ausbildungsplätze unbesetzt sind und bei 125.000 Betrieben die Nachfolge in Frage steht. ZDH-Präsident Jörg Dittrich fordert eine Bildungswende: «Politik muss endlich für eine gleichwertige Behandlung von akademischer und dualer Ausbildung sorgen.»

Schmerzliche Folgen für die Gesellschaft

Wenn bei schrumpfenden Jahrgängen inzwischen rund die Hälfte ein Studium beginnt, sind die Lücken bei Fachkräften und Helfern aus Sicht der Handwerker programmiert, mit schmerzlichen Folgen für die gesamte Gesellschaft. Das beginnt bei der täglichen Daseinsvorsorge mit Lebensmitteln, Wärme, Strom oder Gesundheitsprodukten und Dienstleistungen, die in einer alternden Gesellschaft immer stärker nachgefragt werden. Auch für die ökologische und digitale Transformation seien Handwerker unverzichtbar.

Dennoch verzeichnete das Handwerk im vergangenen Jahr mit 127.400 Neuverträgen einen weiteren Rückgang der Berufsanfänger um 2,3 Prozent zum Vorjahr. Ärzte, Anwälte, Architekten und weitere freie Berufe stellten 43.400 junge Menschen ein, auch hier ein Minus von 2,5 Prozent. Im Bereich Industrie und Handel stieg die Zahl der Neuverträge in der Jahresfrist hingegen um 2,9 Prozent.

In der Corona-Zeit mit ihren mangelnden Kontakt- und Informationsmöglichkeiten ist auch die Zahl der unbesetzt gebliebenen Lehrstellen weiter gestiegen, wie das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) festgestellt hat. Bundesweit waren das 2021 rund 28 Prozent aller Angebote, im Osten blieb sogar mehr als jeder dritte Ausbildungsplatz (35 Prozent) unbesetzt. Nur noch gut jeder fünfte Betrieb (22 Prozent) nahm 2022 neue Auszubildende an.

Dass gleichzeitig 77 Prozent der Azubis nach ihrem Abschluss übernommen wurden, zeigt den hohen Bedarf der Unternehmen. Die IAB-Forscher empfehlen, mehr Betriebe ausbildungsfähig zu machen. Die bestehenden Ausbildungsbetriebe könnten zudem bei ihren Anforderungen kompromissbereiter sein und dem Nachwuchs mehr längerfristige Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen.

Bundesregierung will gegensteuern

Nach Schätzungen gibt es in Deutschland 2,3 Millionen junge Menschen ohne abgeschlossene Berufsausbildung, weitere knapp 240.000 sind in Übergangssystemen zwischen Schule und Beruf geparkt. Die Bundesregierung will mit einer Ausbildungsgarantie gegensteuern, notfalls auch in außerbetrieblichen Einrichtungen. Im entsprechenden Gesetzentwurf des Bundesarbeitsministeriums wird aber der betrieblichen Ausbildung deutlich der Vorrang eingeräumt, während überbetriebliche Angebote nur als letztes Mittel angesehen werden.

Die IG Metall will die Unternehmen stärker in die Pflicht nehmen. «Kurzsichtige Ausbildungsboykotte der Betriebe und Rosinenpickerei bei den Bewerbern schaden allen», sagt Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban. Wer nicht ausbilde, müsse zahlen: «Umlagefinanzierte Ausbildungsfonds wie in Bremen würden Unternehmen mehr in die Pflicht nehmen und mehr Ausbildungsanreize setzen.»

Von Christian Ebner, dpa