Größere Unternehmen in der EU sollen künftig bei Umwelt- und Menschenrechtsverstößen ihrer Lieferanten stärker in die Pflicht genommen werden.
Wie aus einem Gesetzesentwurf der EU-Kommission hervorgeht, soll ein EU-weites Lieferkettengesetz künftig auf Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten angewendet werden können. Für Unternehmen aus Branchen, bei denen ein größeres Risiko für Verstöße gegen Umwelt- und Menschenrechtsstandards besteht, soll die Regelung bereits ab 250 Arbeitskräften angewendet werden können. Die Reaktionen fielen gemischt aus.
Der Entwurf liegt der Deutschen Presse-Agentur vor. Zuvor hatten die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» und andere Medien darüber berichtet. Offiziell vorgestellt werden soll er aber erst am Mittwoch. «Freiwillige Maßnahmen scheinen nicht zu großangelegten Verbesserungen in allen Sektoren geführt zu haben», heißt es in dem Entwurf. Es gebe EU-Unternehmen, die mit negativen Auswirkungen auf Menschenrechte und die Umwelt in Verbindung gebracht werden könnten. Das Gesetz soll auch auf größere Firmen, die nicht aus der EU kommen, aber dort Geschäfte machen, angewendet werden können. Diese müssten dann dafür Sorge tragen, dass auch Unternehmen, von denen sie beliefert werden, nicht die Umwelt zerstören oder ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausbeuten.
EU-Pläne strenger als deutscher Entwurf
Damit geht das Vorhaben der EU-Kommission über das für Deutschland geplante Lieferkettengesetz hinaus. In der Bundesrepublik werden Unternehmen mit mehr als 3000 Angestellten ab 2023 in die Pflicht genommen, dass in ihren Lieferketten Menschenrechte eingehalten werden und die Umwelt nicht zerstört wird. Ein Jahr später sinkt diese Grenze auf 1000. Bei Verstößen sind Bußgelder und der Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen vorgesehen. Einer Umfrage im Auftrag des TÜV zufolge begrüßt gut jedes zweite Unternehmen in Deutschland das nationale Lieferkettengesetz. Knapp 30 Prozent lehnen es ab und 15 Prozent haben noch keine Meinung.
Politikerinnen der Grünen begrüßen das Vorhaben der EU-Kommission. «Es ist gut, dass die EU-Kommission ein ambitioniertes Lieferkettengesetz vorschlägt», sagte etwa die Bundestagsabgeordnete Renate Künast (Grüne). Ihre Parteikollegin aus dem EU-Parlament, Anna Cavazzini, betonte, Firmen könnten nun nicht mehr die Augen verschließen, wenn beispielsweise in Indien Arbeiterinnen beim Färben von Baumwolle durch chemische Substanzen verätzt werden oder Arbeitsunfälle wegen mangelnder Sicherheitsvorkehrungen passierten.
Kritik aus der Union
Vertreter der Union äußern sich hingegen kritisch. Dem CSU-Europaabgeordneten Markus Ferber geht der Entwurf zu weit: «Es wäre nicht verwunderlich, wenn sich europäische Unternehmen infolge dieses Vorschlags aus einigen Regionen dieser Welt zurückziehen.» Er befürchtet, dass diese Lücken durch chinesische Konkurrenz genutzt würden. Der CDU-Parlamentarier Markus Pieper sagte der «Rheinischen Post», er gehe davon aus, dass durch die schärfere Regelung aus Brüssel künftig 14.000 statt 4000 deutsche Unternehmen betroffen sein könnten.
Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie fordert, dass sich die EU-Regelung nur auf direkte Vertragspartner von Unternehmen beschränkt. Der Mittelstandsverbund ZGV sprach von einem drohenden Bürokratiemonster für mittelständische Unternehmen. Christoph Schröder von der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland rechnet damit, dass in absehbarer Zeit viele mittelständische Unternehmen gesetzlich verpflichtet seien, ein Risikomanagement einzurichten, um menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken in ihren Lieferketten zu vermeiden oder zu minimieren.
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