Die Deutsche Umwelthilfe hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) auf Basis neuer Messdaten vorgeworfen, zu wenig gegen zu hohen Schadstoffausstoß bei Diesel-Fahrzeugen zu unternehmen.
Hintergrund ist ein am Mittwoch vorgestellter Messbericht des an die Deutsche Umwelthilfe (DUH) angegliederten Emissions-Kontroll-Instituts (EKI), in dem die Abgaswerte mehrerer Diesel-Fahrzeugmodelle untersucht wurden. Das EKI stellt in dem Bericht fest, dass die 15 untersuchten Fahrzeuge unter normalen Fahrbedingungen den zugelassenen Stickoxid-Grenzwert teilweise um das 18-fache überschreiten.
Die Untersuchung habe außerdem gezeigt, dass gerade bei Diesel-Pkw der Abgasnorm Euro 5 und Euro 6 der Schadstoffausstoß bei sinkenden Außentemperaturen steige. Als Grund dafür führt die Umwelthilfe temperaturgesteuerte Abschalteinrichtungen in den Fahrzeugen an, die aus ihrer Sicht für eine unzulässige Luftverschmutzung sorgen. Eine Abschalteinrichtung ist eine Software, die die volle Abgasreinigung eines Fahrzeugs in einigen Situationen aussetzt.
«Mit sinkender Außentemperatur steigen bei einer Vielzahl von Euro 5 und Euro 6 Diesel-Pkw die Emissionen von Stickoxid (NOx) extrem an», heißt es in der DUH-Erklärung. Auch der Ausstoß von klimaschädlichem Kohlenstoffdioxid sei teilweise zu hoch, beklagt die DUH und wirft Verkehrsminister Scheuer vor, den Rückruf dieser Fahrzeugmodelle zu behindern.
Das Bundesverkehrsministerium wies den Vorwurf der Untätigkeit am Mittwoch auf dpa-Anfrage zurück. Zur Erklärung heißt es, dass die Bestimmungen zu Abschalteinrichtungen auf europäischer Ebene für alle EU-Mitgliedstaaten verbindlich festgelegt seien. Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) sei «an die europäischen Typgenehmigungsvorschriften gebunden und entscheidet auf der Grundlage des geltenden EU-Rechts», heißt es weiter in der Stellungnahme. Darüber hinaus gehe das KBA allen Hinweisen nach, versicherte das Ministerium. «Wird eine illegale Abschaltvorrichtung festgestellt, ordnet das KBA einen verpflichtenden Rückruf an.»
Im September 2015 war aufgeflogen, dass der Autobauer Volkswagen mit spezieller Software Abgaswerte bei Zulassungstests manipuliert hatte. Die Folge waren Schadenersatzforderungen in Milliardenhöhe und eine Klagewelle. Das Bundesverkehrsministerium betonte am Mittwoch, dass «in keinem anderen Mitgliedstaat der EU in der Abgasaffäre so weitreichende Konsequenzen» gezogen worden seien wie in Deutschland.
Doch das reicht der Deutschen Umwelthilfe nicht. Sie argumentiert, dass es sich auch beim Einsatz von temperaturgesteuerten Abschalteinrichtungen um einen illegalen Vorgang handele. Über die rechtlichen Grauzonen «normaler» Abschalteinrichtungen, die etwa bei bestimmten Außentemperaturen aus Gründen des Motorschutzes greifen, gibt es schon seit längerem eine Debatte.
Nach geltendem EU-Recht gibt es Bedingungen, unter denen Abschalteinrichtungen bisher durchaus zulässig sind – etwa, um bei niedrigen Temperaturen empfindliche Bauteile zu schonen. Man spricht dann von Thermofenstern.
Viele Umweltschützer kritisieren das als Schlupfloch. Sie meinen, das Argument «Motorschutz» werde oft nur vorgeschoben – eigentlich gehe es darum, so Ausnahmen von Emissionsgrenzwerten zu rechtfertigen.
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