Die US-Regierung will erstmals Sanktionen wegen der deutsch-russischen Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 verhängen.
Die Strafmaßnahmen sollten an diesem Dienstag verkündet werden und das am Pipeline-Bau beteiligte russische Verlegeschiff «Fortuna» betreffen, sagte eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums der Deutschen Presse-Agentur. Darüber habe die US-Botschaft in Berlin am Montag die Bundesregierung informiert. «Wir nehmen das mit Bedauern zur Kenntnis.» Zuvor hatte das «Handelsblatt» darüber berichtet.
Seitens der USA gab es zunächst noch keine offizielle Ankündigung. Die Botschaft in Berlin erklärte aber, man sei «weiterhin entschlossen, alle notwendigen und angemessenen Schritte zu unternehmen, um die Nord-Stream-2-Pipeline zu stoppen, die wichtige nationale Interessen unserer europäischen Verbündeten und der Vereinigten Staaten bedroht». Sprecher Joseph Giordono-Scholz machte klar, dass man sich durch die Verhaftung des Kremlkritikers Alexej Nawalny in dieser Haltung bestärkt fühle. Sie sei «ein weiteres klares Zeichen dafür, dass sich das Verhalten Russlands nicht ändert, und wir hoffen weiterhin, dass Deutschland seine Position zu der Pipeline neu bewerten wird», sagte er der dpa.
Bislang hatte die US-Regierung wegen der umstrittenen Gas-Pipeline Sanktionen angedroht, aber noch keine verhängt. Mit den neuen Strafmaßnahmen will die Regierung von Donald Trump kurz vor ihrem Amtsende an diesem Mittwoch die Drohung nun erstmals umsetzen. Das US-Außenministerium äußerte sich auf Anfrage zunächst nicht.
Ein US-Regierungsvertreter hatte bereits im November gesagt, die Regierung habe eine Anzahl Unternehmen und Personen identifiziert, denen erste Strafmaßnahmen drohten. Eine Sprecherin des US-Außenministeriums hatte am vergangenen Mittwoch mitgeteilt, die betroffenen Firmen seien kontaktiert worden. Sie seien über das Risiko auf Basis des neuen Sanktionsgesetzes informiert worden, sollten sie sich weiter an Nord Stream 2 beteiligen.
Die Trump-Regierung, aber auch der Kongress laufen seit langem Sturm gegen Nord Stream 2. Ende 2019 waren die Bauarbeiten an der Pipeline kurz vor der Fertigstellung gestoppt worden, nachdem die USA ein erstes Sanktionsgesetz (Peesa) gegen die Spezialschiffe in Kraft gesetzt hatten, die die Rohre verlegten. Die beiden Schweizer Verlegeschiffe wurden abgezogen. Der russische Präsident Wladimir Putin kündigte an, die Pipeline eigenständig zu Ende zu bauen – unabhängig von ausländischen Partnern. Die Arbeiten waren im vergangenen Monat wieder aufgenommen worden.
Zu Jahresbeginn war dann ein US-Gesetz in Kraft getreten, mit dem die Sanktionsmöglichkeiten ausgeweitet wurden. Nach diesem neuen Gesetz (Peesca) können auch Unternehmen, die Schiffe für andere Aktivitäten im Zusammenhang mit Verlegearbeiten stellen, mit Strafen belegt werden. Dabei kann es sich etwa um das Ausheben von Gräben für die Pipeline handeln. Auch Firmen, die betroffene Schiffe versichern oder ihnen ihre Hafenanlagen zur Verfügung stellen, drohen Sanktionen. Das gleiche gilt für Unternehmen, die Zertifizierungen für die Pipeline vornehmen, damit diese in Betrieb gehen kann.
Das norwegische Zertifizierungs-Unternehmen DNV GL bestätigte am Montag den Rückzug aus dem Projekt wegen drohender US-Sanktionen. Man sei dabei, die Arbeiten zu beenden, hieß es auf Anfrage. «Nach dem derzeitigen Stand der Dinge kann DNV GL bei Fertigstellung der Pipeline kein Zertifikat ausstellen.»
Bereits im vergangenen Oktober hatte das US-Außenministerium neue Richtlinien veröffentlicht, wonach auch die Bereitstellung bestimmter Dienstleistungen und Einrichtungen für die Verlegeschiffe bestraft werden könnte. Nach den Sanktionsgesetzen können gegen betroffene Personen Einreiseverbote in die USA verhängt werden. Etwaiger Besitz betroffener Personen oder Firmen in den USA können eingefroren werden. Die US-Regierung zeigte sich wiederholt zuversichtlich, das Projekt auf den letzten Metern noch stoppen zu können.
Im Streit um Nord Stream 2 war der US-Kongress beim neuen Sanktionsgesetz (Peesca) kurz vor dessen Verabschiedung einen Schritt auf die Europäer zugegangen. Hinzugefügt wurde dem Entwurf, dass sich der US-Außenminister vor der Verhängung von Sanktionen gegen Unternehmen aus EU-Mitgliedsstaaten, der Schweiz, Norwegen und Großbritannien mit den Regierungen dieser Länder beraten muss. Außerdem dürfen gegen diese Regierungen selbst keine Sanktionen verhängt werden. Dasselbe gilt für Körperschaften dieser Regierungen, solange diese nicht als Wirtschaftsunternehmen operieren.
Die USA laufen Sturm gegen die Gas-Pipeline, weil sie eine zu große Abhängigkeit ihrer Partner in Europa von Russland sehen. Unterstützt werden sie von osteuropäischen Staaten wie Polen und den baltischen Ländern. Kritiker werfen den USA dagegen vor, nur ihr Flüssiggas in Europa besser verkaufen zu wollen.
Die Amtszeit von Trump und seiner Regierung endet mit der Vereidigung des künftigen US-Präsidenten Joe Biden an diesem Mittwoch. Ein US-Regierungsvertreter hatte Hoffnungen auf einen Kurswechsel Washingtons beim Streit um Nord Stream 2 allerdings bereits nach der Präsidentenwahl im November einen Dämpfer erteilt. Er hatte darauf verwiesen, dass sowohl Peesa als auch Peesca parteiübergreifend unterstützt wurden und verpflichtende Sanktionen vorsehen. «Das bedeutet, dass die Sanktionen unabhängig davon umgesetzt werden, wer im Oval Office sitzt.» Biden hatte die Pipeline noch in seiner früheren Rolle als US-Vizepräsident unter Barack Obama «einen fundamental schlechten Deal für Europa» genannt.
Durch die zwei jeweils rund 1200 Kilometer langen Leitungen von Nord Stream 2 sollen künftig jedes Jahr 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas von Russland nach Deutschland gepumpt werden – unter Umgehung der Ukraine. Die etwa 9,5 Milliarden Euro teure Pipeline ist zu 94 Prozent fertig. Damit liegen mehr als 2300 Kilometer Rohre des Doppelstrangs auf dem Meeresboden.
Ein russisches Verlegeschiff hatte kürzlich einen 2,6 Kilometer langen Leitungsabschnitt in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone fertiggestellt. In den kommenden Tagen sollen nach Angaben der dänischen Energieverwaltung die Arbeiten am Lückenschluss vor der dänischen Insel Bornholm beginnen. Durch Nord Stream 1 fließt bereits seit 2012 russisches Erdgas nach Deutschland.
Bei der Nord Stream 2 AG mit Sitz im schweizerischen Zug ist der russische Konzern Gazprom formal einziger Anteilseigner. Dazu kommen aber als «Unterstützer» die deutschen Konzerne Wintershall Dea – ein Gemeinschaftsunternehmen von BASF und LetterOne – und Uniper (eine Abspaltung von Eon) sowie die niederländisch-britische Shell, Engie (einst GDF Suez) aus Frankreich und OMV aus Österreich. Nord-Stream-Aufsichtsratschef ist Altkanzler Gerhard Schröder (SPD), bei Nord Stream 2 ist er Präsident des Verwaltungsrats.
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