Vor der US-Reise von Vizekanzler Robert Habeck drängen Wirtschaftsverbände auf Verbesserungen beim amerikanischen Inflationsbekämpfungsgesetz. Der sogenannte Inflation Reduction Act (IRA) sieht milliardenschwere Investitionen in den Klimaschutz vor, knüpft Subventionen und Steuergutschriften aber daran, dass Unternehmen US-Produkte verwenden oder selbst in den USA produzieren – was in Europa Sorge vor Wettbewerbsnachteilen auslöst. Verbände warnen vor einer handelspolitischen Auseinandersetzung und verlangen bessere Produktionsbedingungen in Europa.
Habeck (Grüne) reist am Monatg zu politischen Gesprächen nach Washington. Am Dienstag will er mit seinem französischen Amtskollegen Bruno Le Maire unter anderem US-Finanzministerin Janet Yellen, US-Handelsbeauftragte Katherine Tai und US-Wirtschaftsministerin Gina Raimondo treffen, wie das Bundeswirtschaftsministerium kurz vor der Reise mitteilte.
Insbesondere seit dem russischen Angriff auf die Ukraine sei die Partnerschaft zwischen den USA und Deutschland immens wichtig, machte Habeck kurz vor der Reise deutlich. Man sei seit Kriegsbeginn noch enger zusammengerückt und habe gemeinsam gehandelt. «Diese Gemeinsamkeit ist auch ein Schlüssel im Kampf gegen die Klimakrise», so Habeck. «Die USA richten ihre Wirtschaft nun auf grüne Märkte aus und treiben die Kostensenkung bei der Entwicklung klimafreundlicher Technologien voran. Das ist gut, es ist aber wichtig, dass dies im freundschaftlichen, fairen Wettbewerb geschieht und dadurch zu Fortschritt bei klimaneutralen Technologien führt.»
«Vergeltungsmaßnahmen wären kontraproduktiv»
Bei der Umsetzung des US-Gesetzes müsse weitgehend auf Diskriminierung ausländischer Unternehmen verzichtet werden, sagte die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Tanja Gönner, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Es sei gut, dass es hierfür bereits eine gemeinsame Arbeitsgruppe von EU-Kommission und US-Regierung gebe.
Als problematisch stufte Gönner etwa die US-Kriterien für Steuergutschriften für Elektroautos ein oder Vorgaben für den Einkauf heimischer Waren und Dienstleistungen oder für deren Anteil am fertigen Produkt auch in anderen Bereichen.
«Die EU und die USA sollten unbedingt sicherstellen, dass die kommenden Schritte nicht zu einem Handelskonflikt führen», warnte Gönner. «Europäische Vergeltungsmaßnahmen in Form von Zöllen wären kontraproduktiv.» Auflagen zum Kauf europäischer Waren und Dienstleistungen seien für die offenen Volkswirtschaften Europas keine Lösung. Sie plädierte für «eine vorsichtige handelspolitische Antwort». «Ein Subventionswettlauf würde zulasten der Steuerzahler und des Wettbewerbs insgesamt gehen.»
In der EU müsse es für Unternehmen leichter werden, sinnvolle Förderung zu bekommen und zu erhalten, betonte Gönner. «Auch dauern die Planungs- und Genehmigungsverfahren in Deutschland und der EU für neue Industrieanlagen, für Anlagen zur Energieerzeugung und für die benötigte Infrastruktur viel zu lange», kritisierte Gönner. «Die EU sollte Innovationen und Zukunftstechnologien in den Fokus ihrer Arbeit nehmen.» Dabei könnten die USA auch Vorbild sein: «Die Steuergutschriften verfolgen einen pragmatischen Ansatz, schnell und unbürokratisch klimafreundliche Technik zu fördern und eine hohe Investitionssicherheit zu schaffen.»
Die starke Förderung erneuerbarer Energien und grüner Technologien biete Chancen, sagte Gönner, etwa für den Maschinenbau und viele Zulieferindustrien. Der Ausbau erneuerbarer Energien werde sich in den USA voraussichtlich stark beschleunigen, was gerade die energieintensive Industrie in Europa unter Druck setze – für den klimafreundlichen Umbau müssten hier dringend der Energieträger Wasserstoff und erneuerbarer Strom vorangetrieben werden.
Rahmenbedingungen in Europa sollen verbessert werden
Auch der Verband der Automobilindustrie (VDA) kann dem US-Programm im Grundsatz viel Gutes abgewinnen. «Die USA machen eine konsequente Politik, die die Voraussetzungen schafft, der Klimaneutralität auch im Verkehrsbereich den Weg zu ebnen», erklärte VDA-Präsidentin Hildegard Müller. Klimaneutralität bedeutet, dass alle Treibhausgase vermieden oder gespeichert werden müssen. Auch die Förderung der Elektromobilität sei gut – wobei der «protektionistische und diskriminierende Regelungsansatz» im Widerspruch zu einem offenen Warenhandel stehe.
«Die transatlantische Partnerschaft muss vertieft, statt mit Hürden versehen werden», forderte Müller. Es sei wichtig, zu verhindern, dass die Förderpraxis der USA Nachahmer und Gegenreaktionen nach sich ziehe. Es komme vor allem darauf an, die Rahmenbedingungen in Europa zu verbessern. «Standortpolitik und der Einsatz für einen freien und fairen Handel sind für Europa jetzt von essenzieller Bedeutung. Der in der vergangenen Woche von der EU-Kommission vorgestellte Industrieplan gehe in die richtige Richtung. «Entscheidend ist jetzt eine Konkretisierung der Vorhaben und eine schnelle und unbürokratische Umsetzung.»
Die EU-Kommission sieht ihrerseits für Europa Investitionsbedarf von Hunderten Milliarden Euro in klimafreundliche Technologien, ohne diese Summe genauer zu beziffern. Konkret geht es etwa um erneuerbare Energien, Wärmepumpen, Batterieproduktion sowie Nutzung und Speicherung von klimaschädlichem CO2. Die Brüsseler Behörde will den Zugang zu Fördermitteln erweitern und beschleunigen. Zudem möchte sie den EU-Staaten mehr Freiheiten geben für gezielte Subventionen.
Die Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie, Simone Peter, begrüßte die Reise Habecks. «Es ist wichtig, jetzt die Hand auszustrecken und im gemeinsamen Schulterschluss mit den USA die Erfüllung der Pariser Klimaziele voranzutreiben», sagte sie. Die europäische Antwort dürfe aber kein «transatlantischer Handelskonflikt durch Marktabschottung» sein. Beide Kontinente profitierten durch einen fairen Zugang zum beiderseitigen Markt, von gemeinsamen Standards für Klimaschutztechnologien und Ausnahmen bei Vorschriften zur lokalen Erzeugung. «Dafür muss sich Deutschland jetzt stark machen.»
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