Es ist eine ziemlich katastrophale Bilanz – mit möglichen großen Folgen für die Autofahrer in Deutschland: 4000 Autobahnbrücken sind so marode, dass sie saniert werden müssen.
«So wie es ist, können wir nicht weitermachen, ansonsten werden wir mit unvorhersehbaren Risiken konfrontiert», sagte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) am Donnerstag in Berlin nach einem «Brückengipfel» mit Vertretern der Bauwirtschaft, von Behörden sowie Natur- und Umweltschutzverbänden.
Mit Risiken meint Wissing einen Fall wie den der maroden Autobahnbrücke Rahmede bei Lüdenscheid in Nordrhein-Westfalen: Bei einer Kontrolle der Konstruktion hatten Experten eine Verformung von Brückenteilen entdeckt. Die Brücke wurde Anfang Dezember voll gesperrt und damit zugleich eine zentrale Verkehrsroute von Dortmund nach Hessen und nach Bayern unterbrochen. Die Brücke soll in diesem Jahr gesprengt werden.
«Der Brückenzustand ist im großen Stil katastrophal und eines Industrielandes unwürdig», sagte Peter Hübner, Präsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie. Es müsse ein Kollaps verhindert werden. Dazu müssten die Bauunternehmen auf die Planung mehr Einfluss nehmen können.
Wissing sagte, der «Brückengipfel» habe auch dazu gedient, dass es künftig gerade nicht zu Staus oder Vollsperrungen komme wie auf der A45. Ein nun entwickeltes Maßnahmenpaket soll dazu beitragen, das man künftig nicht überrascht werde wie im Fall Rahmede, sondern der Realität ins Auge blicke. Die größten Risiken sollten nun zuerst angegangen werden.
Hauptverkehrsachsen sollen modernisiert werden
Vordringlich modernisiert werden sollen nun wichtige Abschnitte des Autobahnnetzes und Korridore mit hoher Verkehrsbedeutung – sprich: die Hauptverkehrsachsen. Dies seien die Autobahnen A1 bis A9 sowie die A45 und die A81, sagte Stephan Krenz, Chef der Autobahn GmbH des Bundes. Es handle sich um bedeutsame, überwiegend hochbelastete Transitstrecken im Autobahnnetz mit einer Gesamtlänge von etwa 7000 Kilometern, heißt es in einer «Brückenbilanz». Diese hatte Wissing nach seinem Amtsantritt im Dezember erstellen lassen.
Dieses Streckennetz heißt nun «Brückenmodernisierungsnetz» und soll vordringlich angegangen werden. Innerhalb dieses Netzes wurden etwa 4000 Brückenbauwerke ermittelt, die modernisierungsbedürftig
sind. Davon seien bereits 1300 Bauwerke in Bearbeitung, hieß es. Insgesamt ist der Bund laut Papier für fast 40.000 Brücken an Autobahnen und Bundesfernstraßen zuständig.
Das Verkehrswachstum der vergangenen Jahrzehnte habe seine Spuren hinterlassen, vor allem bei den Autobahnbrücken, hieß es. Der überproportionale Anstieg des Schwerverkehrs sowie die immer höhere Frequenz von Fahrten hätten den Bauwerkszustand der Brücken sehr belastet. Dies erfordere nun «umfängliche» Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen. Vor allem die Autobahnenbrücken machen Sorgen. Laut der Bilanz sind fast 11 Prozent in einem nicht ausreichenden Zustand, 2,2 Prozent in einem ungenügenden Zustand.
Es sei um Autobahnbrücken alles andere als gut bestellt, sagte Wissing. Der «Sanierungsstau» umfasse 4000 Brücken. In der Vergangenheit sei zu wenig investiert worden in die Sanierung. Das Problem müsse nun schnell angegangen werden – sonst laufe man Gefahr, dass Brücken plötzlich gesperrt werden müssten mit erheblichen Auswirkungen für das gesamte Straßennetz und massive Folgen für die Bevölkerung.
Mehr Gelder für Sanierung ab 2026
Die Bundesmittel zur Brückensanierung sollen von 2026 an auf 2,5 Milliarden Euro pro Jahr erhöht werden. Dies sei eine Milliarde Euro mehr als heute. Es bedürfe aber eines Vorlaufs und Planung, damit das Geld abfließen könne, so Wissing – daher erst mehr Geld ab 2026.
Das Maßnahmenpaket sieht ferner vor, dass Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden. Ausschreibungs- und Vergabeverfahren sollen gestrafft und Anreize für kürzere Bauzeiten geschaffen werden. Und es soll auch mehr getan werden gegen den Fachkräftemangel bei Ingenieuren.
Die Autobahn GmbH will schrittweise die Zahl der fertig modernisierten Brücken von bisher 200 auf 400 Brücken pro Jahr erhöhen. Krenz sagte am Donnerstag, es handle sich vor allem um ein westdeutsches Problem, denn nach der Wende seien viele Brücken im Osten erneuert worden.
Olaf Bandt, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland, sagte, Wissing trete ein schweres Erbe an. Im Verkehrsministerium sei jahrelang zu wenig Wert auf den Erhalt der bestehenden Fernstraßen und Schienenstrecken und vor allem der dazugehörigen Brücken gelegt worden. Das Ziel müsse Erhalt statt Neubau sein. Der Naturschutz dürfe nicht unter die Räder geraten.
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