Mit der Reform des veralteten Postgesetzes werden Forderungen lauter, den umstrittenen Einsatz von Subunternehmern zu begrenzen oder ganz zu unterbinden. Nachdem sich der Bundesrat Anfang Februar mehrheitlich für ein Verbot von Paket-Subunternehmen ausgesprochen hatte, die nicht tarifgebunden sind, bekräftigte der Grünen-Bundestagsabgeordnete und frühere Verdi-Chef Frank Bsirske nun seine Forderung nach gesetzlichen Verschärfungen, um der «Ausbeutung» von Paketboten einen Riegel vorzuschieben.
Er ist für ein Einsatzverbot von Sub-Sub- und Sub-Sub-Subunternehmen – also ein Verbot der nochmaligen Weitergabe von Aufträgen an andere Firmen. Der Handelsverband Deutschland warnt vor den negativen Folgen so einer Vorschrift.
Tausende Subunternehmen seien heute für die großen Paketdienstleister tätig, oft in undurchschaubaren Sub-Sub-Unternehmerketten, sagte Bsirske der Deutschen Presse-Agentur. Beschäftigte – oft aus Osteuropa – hätten zudem oft Verträge mit zwei Firmen, etwa für die Verladung und die Zustellung. Häufig gebe es Missstände wie 14-Stunden-Tage, Dumpinglöhne, Schlafen in Transportfahrzeugen. Das Nachsehen hätten Mittelständler der Branche mit korrekten Arbeitsbedingungen. Die Missstände sind auch dem Zoll bekannt. Der schaut der Branche immer mal wieder auf die Finger, im vergangenen Herbst mit einer bundesweiten Razzia von 3100 Beamten. Dabei deckte er Rechtsverstöße auf.
«Fortsetzung von Rechtsbruch droht»
Anfang Februar forderte der Bundesrat ein Verbot von Fremdpersonal bei Sortierung, Verladung und Auslieferung und somit von Werkverträgen und Nachunternehmerketten. Sollten die Subunternehmen tarifgebunden sein, dürfen sie tätig sein.
Die Bundesregierung sieht es anders als die Länderkammer. Aus Sicht der Regierung reichen die vorgesehenen Überprüfungen der Unternehmen aus, wie aus einer Gegenäußerung der Regierung auf die Länderforderungen hervorgeht. Bsirske wandte ein: Die Behörden könnten die mobil tätigen Beschäftigten in der unübersichtlichen Branche kaum kontrollieren. «Es droht eine Fortsetzung des systematischen Rechtsbruchs», warnte er. Deshalb sollte nur noch ein Subunternehmen erlaubt sein und keine Subunternehmerketten.
Diese Ansicht vertritt auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Roloff. Er würde sogar generell Subunternehmen in der Branche verbieten. Allerdings sind ihm vor allem die Subunternehmerketten ein Dorn im Auge – deren Beseitigung hat für ihn Priorität.
FDP warnt vor «Gift für den Wettbewerb»
Vom Koalitionspartner FDP kommt Widerspruch. «Ein Verbot von Subunternehmen wäre Gift für den Wettbewerb in der Paketbranche», sagte Reinhard Houben. Besonders die Wettbewerber von DHL sind demnach auf den Einsatz dieser Firmen angewiesen. Außerdem hält der FDP-Bundestagsabgeordnete die Annahme für «schlichtweg falsch», «dass die Arbeitsbedingungen im Paketmarkt flächendeckend schlecht sind und Arbeitsschutzstandards strukturell unterlaufen werden».
Schwarze Schafe müssten wirksam aussortiert werden, sagte Houben. «Dies regelt die Gesetzesnovelle mit den engen Vorgaben, die Unternehmen erfüllen müssen, um sich überhaupt als Anbieter von Postdienstleistungen registrieren zu können.» Auch der Einsatz von Sub-Sub-Unternehmern sei in bestimmten Fällen durchaus sinnvoll. Daher sei schon 2019 im Paketboten-Schutz-Gesetz eine Nachunternehmerhaftung eingeführt worden.
Der Paketverband Biek, der für die Konkurrenz des Marktführers DHL spricht, hält Vertragspartnerschaften für «unverzichtbar für die Paketbranche». «Die unternehmerische Kreativität Tausender Vertragspartner trägt dazu bei, dass Arbeitsplätze geschaffen werden und die Branche mit ihrer Wertschöpfung einen entscheidenden Beitrag für die Gesellschaft leistet», heißt es in einer Stellungnahme des Biek.
Marktführer DHL, der nur etwa zwei Prozent seiner Paketmenge von Subunternehmern befördern lässt, ist für ein Verbot von Sub-Subunternehmen. Solche Vertragskonstruktionen hat der Bonner Konzern nach eigener Aussage gar nicht abgeschlossen.
Kritik vom Handelsverband
Der Handelsverband Deutschland (HDE) wertete die Forderungen nach schärferen Vorschriften kritisch. «Das Postgesetz ist der falsche Ort für Maßnahmen zur Einhaltung arbeits- und sozialversicherungsrechtlicher Arbeitsbedingungen», sagte HDE-Geschäftsführer Steven Haarke. Es gebe schon heute eine eigenständige Gesetzgebung und spezialisierte Aufsichtsbehörden dafür. Sollten die Vorschriften im Postgesetz trotzdem verschärft werden, drohten Marktaustritte von kleinen und mittelständischen Unternehmen.
Offen ist zudem noch die Frage, ob man bei Paketen, die mehr als 20 Kilo wiegen, künftig zwei Zusteller braucht. Laut Regierungsvorschlag reichen technische Hilfsmittel aus, der Bundesrat ist für eine Zwei-Zusteller-Pflicht. Auch dieser Punkt sorgt beim HDE für Unbehagen. Die Bundesratshaltung «schießt weit über das Ziel hinaus und ist nicht sachgerecht», sagt Haarke. Der überwiegende Teil der Pakete im Paketmarkt wiege weniger als fünf Kilogramm.
Erste Debatte im Bundestag
Der Bundestag debattierte am Mittwochabend erstmals im Plenum über die Novelle. Der Sozialdemokrat Roloff untermauerte dabei seine Forderung nach schärferen Vorschriften für die Subunternehmer. Es sei inakzeptabel, dass Zollkontrollen bei diesen Firmen regelmäßig Fälle von Scheinselbstständigkeit, gefälschten Ausweisdokumenten und Mindestlohnverstöße aufdeckten. «Der Zoll spricht bei Paketdienstleistungen von Fällen schwerer und organisierter Kriminalität, dementsprechend wird auch hier der Regelungsbedarf genutzt werden müssen», sagte der SPD-Abgeordnete.
In den kommenden Wochen stehen Beratungen im Bundestag an, danach folgt ein Votum. Dann ist der Bundesrat am Zug. Im Frühjahr soll die Reform abgeschlossen sein.
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