24. November 2024

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VW-Konzern verkauft Mehrheit an seiner Luxusmarke Bugatti

Unter Ferdinand Piëch brüstete sich die VW-Gruppe mit ihrem Marken-Imperium. Inzwischen ist Größe allein kein Selbstzweck mehr. Die französischen Sportwagen von Bugatti wechseln nun den Besitzer.

Adieu, Bugatti – der Autobauer Volkswagen gibt die Mehrheit an seiner prestigeträchtigen französischen Luxusmarke ab.

Monatelang war über die Zukunft von Bugatti spekuliert worden, die mächtige Mutter in Wolfsburg und die kleine Tochter im Elsass wanden sich bei Anfragen. Jetzt steht fest: VW trennt sich mehrheitlich von dem Hersteller handgefertigter Edelschlitten aus Molsheim.

Zwar will man über die Sportwagentochter Porsche AG einen Restanteil an Bugatti behalten. Kontrolle und Haupteigentümerschaft gehen aber auf das kroatische Unternehmen Rimac über, wie Porsche – innerhalb der VW-Gruppe für den Sportsektor zuständig – und Rimac in Dubrovnik bekanntgaben. Die operative Führung liege damit künftig bei Rimac, sagte Porsche-Vorstandschef und VW-Konzernvorstand Oliver Blume. Zu den finanziellen Konditionen des Deals wurden keine Details genannt.

Rimac hatte schon länger Interesse an den superteuren und -schnellen Bugatti-Boliden gezeigt und soll künftig 55 Prozent der Anteile an einem neuen Gemeinschaftsunternehmen namens Bugatti-Rimac halten. Porsche will an dem Joint Venture, das im vierten Quartal gegründet werden und in Zagreb sitzen soll, mit einem Minderheitsanteil von 45 Prozent beteiligt bleiben. Zuvor müssen noch Kartellbehörden in mehreren Ländern zustimmen, wie es hieß. Beide Unternehmen sind seit einigen Jahren miteinander verzahnt: Porsche ist seit 2018 an Rimac beteiligt, inzwischen hält der Sportwagenbauer 24 Prozent am kroatischen Unternehmen.

Betriebswirtschaftlich dürfte der Schritt für Volkswagen keine allzu großen Veränderungen bringen. Bugattis Stückzahlen sind sehr gering, 2020 wurden ganze 77 Exemplare ausgeliefert. Über Gewinnspannen und konkrete Finanzdaten schweigt sich die Firma aus, im vergangenen Jahr war in Molsheim allgemein von «positiven Ergebnisbeiträgen» die Rede. Image und Strahlkraft der Marke indes sind beträchtlich – jedenfalls unter Motorsport-Fans sowie Anhängern extrem starker Antriebe.

VW legt Hand an Piëchs Zwölf-Marken-Erbe

Für die VW-Fahrzeugmarken, wie sie bisher definiert sind, bedeutet der Verkauf von Bugatti eine Reduktion von zwölf auf elf. So hat der Abschied nun auch eine symbolische Bedeutung. Der frühere VW-Vorstands- und -Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch hatte seinerzeit eine immer größere Markensammlung aufgebaut. Doch inzwischen haben sich die Zeiten und die Schwerpunke geändert.

«Zwölf ist eine gute Zahl» – so kommentierte der vor knapp zwei Jahren gestorbene Patriarch einmal seinen Kaufdrang, als Porsche nach einer Übernahmeschlacht mit den Wolfsburgern 2009 als VW-Marke hinzugekommen war. 2012 gelang der Tochter Audi mit dem Einbau des italienischen Motorradbauers Ducati dann ein weiterer Coup, der das Dutzend tatsächlich vollmachte. Für den Chefaufseher war es die Erfüllung eines Traums.

Die Marke Bugatti hatte sich Volkswagen 1998 einverleibt. Lange sonnte sich der Konzern im finanziellen Erfolg und in der Vielfalt seines Imperiums gleichermaßen. Aber das ist wohl vorbei. Statt Glamour-Modellen wie dem Bugatti Chiron mit 1500 PS, einem 16-Zylinder-Verbrenner und CO2-Ausstoß von über einem halben Kilogramm pro Kilometer sind Öko-Bewusstsein und E-Autos en vogue. Und was zu wenig Geld einbringt, läuft angesichts der verschärften VW-Renditeziele ohnehin Gefahr, auf die Streichliste zu geraten.

Was lohnt sich noch, was nicht mehr? Was beißt sich mit dem eigenen Anspruch, bis spätestens 2050 bilanziell klimaneutral werden zu wollen? Der Bugatti-Verkauf passt vor dem Hintergrund solcher Fragen durchaus ins Bild. «Das ist folgerichtig», sagt ein Branchenkenner. In der alten Welt sei der Technik-Enthusiasmus des passionierten Ingenieurs Piëch ein Sonderfaktor gewesen. «Heute brauchen Hersteller vor allem Marken, die in der Mitte des Geschäfts sind. Was helfen ein paar hundert Nischenautos einem Konzern, der zehn Millionen Fahrzeuge pro Jahr verkaufen will?» Selbst falls Bugatti höhere Erträge abwerfen würde, wäre das für VW letztlich Spielgeld: «Ökonomisch hat das wenig Sinn, und außerdem bindet es viel Management-Zeit.»

Trennung ein logischer Schritt

Konzernchef Herbert Diess machte bereits klar: Eine große Markenzahl per se ist kein wichtiges Kriterium mehr. Es störe ihn auch nicht, dass Toyota beim Absatz wieder an der VW-Gruppe vorbeizog, sagte er der Deutschen Presse-Agentur im Frühjahr. «Wir brauchen ausreichend Größe für Skalenvorteile, aber Größe an sich ist für uns kein Maßstab.» Es gehe eher um Marktführerschaft beim E-Auto: «Hier wollen wir schneller wachsen und profitabler sein als die Wettbewerber.»

Kostendruck und teure Spezialgeschäfte vertragen sich nicht gut. Es gab wiederholt Spekulationen, VW könnte das Piëchsche Markenerbe stutzen. Ein anderer Kandidat soll Lamborghini sein – auch wenn die zuständige Tochter Audi handfeste Überlegungen zurückweist. Die Schweizer Quantum-Gruppe erklärte jüngst, den Sportwagenbauer aus Italien haben zu wollen. Audi betonte: «Lamborghini steht nicht zum Verkauf.» VW-Aufsichtsräte hatten das 2020 zunächst so festgehalten.

Insgesamt strebt Diess eine Verschlankung mit «denkbaren» Ausgliederungen an, wie er schon 2018 formulierte. Die Diskussion dreht sich auch um Ducati. Für den Motorradhersteller ist ebenfalls Audi verantwortlich, zusätzlich liegt in Ingolstadt seit März die Koordination für die Marke Bentley. «Es ergäbe Sinn, die Konzentration mit Lamborghini weiter zu denken», sagt ein Beobachter. «Es sei denn, es finden sich größere Überschneidungen bei Gleichteilen zum Beispiel mit Porsche.»

Andere Analysten halten das Abstoßen weiterer Randaktivitäten für realistisch. Aber das fiele nicht leicht. Ex-Bugatti-Chef Wolfgang Dürheimer beschrieb die Rolle seiner Exoten einmal so: «Bugatti arbeitet im Grenzbereich des technisch Machbaren. Die Ergebnisse unserer Arbeit stellen wir später allen Konzernmarken zur Verfügung.»

Von Jan Petermann und Michael Brehme, dpa