Im Betrugsprozess zur VW-Dieselaffäre hat ein Ex-Manager zwei Mitangeklagten «wahrheitswidrige Angaben» vorgeworfen.
Die beiden leitenden Ingenieure hätten bei Vernehmungen Behauptungen «zur eigenen Entlastung» aufgestellt, sagte der ehemalige Entwicklungschef der VW-Kernmarke. Vor dem Landgericht Braunschweig sind vier Ex-Manager und -Ingenieure des Konzerns angeklagt. Ihnen wird unter anderem gewerbs- und bandenmäßiger Betrug mit manipulierter Software in Millionen Autos vorgeworfen (Az.: 6 KLs 23/19).
Vollständige Kenntnis von den illegalen Machenschaften in den USA und Europa habe er erst in einer Vorstandssitzung am 20. September 2015 erhalten, sagte der Angeklagte. Zwei Tage zuvor war «Dieselgate» in den USA durch einen Brief der Umweltbehörde CARB aufgeflogen. Kurz darauf trat Konzernchef Martin Winterkorn mit einer emotionalen Abschiedserklärung zurück, betonte dabei aber, sich «keines Fehlverhaltens bewusst» zu sein.
Strafprozess beginnt ohne Winterkorn
Sechs Jahre später hat der Strafprozess ohne Winterkorn begonnen. Der 74-Jährige muss wegen gesundheitlicher Probleme vorerst nicht in der Braunschweiger Stadthalle erscheinen. Sein Verfahrenskomplex bleibt abgetrennt, eine Beschwerde der Staatsanwaltschaft dagegen wies das Oberlandesgericht (OLG) als unzulässig zurück. Für den Prozess zur Aufarbeitung eines der größten Wirtschaftsskandale sind insgesamt mehr als 130 Verhandlungstage bis in den Sommer 2023 geplant.
Nach den ersten fünf Prozesstagen hatten alle vier Angeklagten die Chance, sich zu den Vorwürfen zu äußern. In mehrstündigen Berichten schilderten sie jeweils ihre Version – vor allem zur Entstehungsgeschichte des Projekts «US 07», mit dem VW auf dem US-Markt mit einem «sauberen Diesel» antreten wollte. Als erste Bilanz steht, dass keine der angeklagten früheren VW-Führungskräfte die Hauptverantwortung für den Skandal bei sich sieht.
Teils gegenseitige Vorwürfe
Der Start in dieses langwierige Verfahren war im Gegenteil eher geprägt von schweren – teils gegenseitigen – Vorwürfen. Der frühere Entwicklungschef will erst im August 2015 von einem «defeat device» gehört haben, mit dem Teile des Abgaskontrollsystems umgangen wurden. Auch im Monat davor sei nur die Rede von «Irregulariäten, die möglicherweise nicht gesetzeskonform sein könnten», die Rede gewesen.
Zuvor hatte ein weiterer Ex-Manager angegeben, dass ihm die sogenannte die Akustikfunktion nie gesondert vorgestellt worden sei. Der Begriff gilt im Kontext der «Dieselgate»-Ermittlungen als eine Art Deckmantel für das Programm zum Abgasbetrug. Vor der Einführung eines «sauberen Diesels» auf dem US-Markt habe es viele Probleme gegeben, die Akustikfunktion spielte nach Angaben des Motorenexperten keine besondere Rolle.
Auch die beiden anderen Angeklagten stritten in ihren Einlassungen eine Hauptverantwortung für den Abgasskandal ab. Der Eindruck, Techniker hätten über Nacht beschlossen, Kunden zu betrügen, sei falsch, sagte ein ehemaliger Leiter der Antriebselektronik bei Volkswagen. Ein Experte für Abgasnachbehandlung machte indes dem ehemaligen Konzernchef Winterkorn und dem mitangeklagten Ex-Vorstand schwere Vorwürfe. Der Prozess wird am Dienstag (5. Oktober) fortgesetzt. Dann könnte die Strafkammer mit ihren Fragen an die Angeklagten beginnen.
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