Der Tarifstreit zwischen der Deutschen Bahn und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) spitzt sich zu: Die Gewerkschaft wies am Dienstag ein erstes Angebot der Arbeitgeberseite zurück.
Es biete keine Verhandlungsgrundlage, sagte GDL-Chef Claus Weselsky einen Tag nach der dritten Gesprächsrunde in Berlin. «Wir sind nicht nur nicht zufrieden mit dem Angebot, sondern wir werden es entsprechend beantworten», betonte er. «Ich möchte an der Stelle sagen, dass die Wahrscheinlichkeit von Arbeitskämpfen mit diesem Angebot angestiegen ist.»
Konkrete Ankündigungen machte Weselsky nicht. Allerdings schloss er für mögliche Warnstreiks keinen Zeitraum aus, auch nicht Pfingsten (23./24. Mai). Er betonte, dass Reisende rechtzeitig über mögliche Einschränkungen informiert würden. Bis zum 24. Mai will sich die GDL zum weiteren Vorgehen äußern.
Die Bahn hatte am Vortag ein Angebot vorgelegt und sich dabei am Abschluss orientiert, den sie im September mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) abgeschlossen hatte. Es beinhaltet eine Lohn- und Gehaltssteigerung von 1,5 Prozent ab dem kommenden Jahr sowie eine Laufzeit bis 2023. Darüber hinaus will der Konzern für die Vertragszeit betriebsbedingte Kündigungen ausschließen und in diesem und kommendem Jahr «auf hohem Niveau» neue Beschäftigte einstellen.
Der Konzern bleibt damit aus Sicht der GDL deutlich hinter den Forderungen zurück. Die Gewerkschaft hatte unter anderem 4,8 Prozent mehr Geld sowie eine einmalige Corona-Prämie von 1300 Euro gefordert. «Das Unternehmen hält weiter daran fest, dass die Führungsetage sich bereichert und der kleine Eisenbahner mit Minusrunden abgespeist werden soll», sagte Weselsky.
Die Bahn kritisierte die Aussagen des Gewerkschaftschefs. «Seit heute ist belegt: Verantwortung für Beschäftigte und Arbeitsplätze hat der GDL-Chef offenbar wenig im Sinn», sagte eine Sprecherin. «Die GDL-Führung nimmt mit ihren Drohungen Schaden für Kunden und Bahn in einer Zeit bewusst in Kauf, in der Deutschland wieder hochfährt.»
Aus Sicht der Deutschen Bahn gibt es für ein anderes Angebot keinen Spielraum. Der Konzern verweist auf die hohen Schäden, die die Corona-Krise anrichtete. Der Konzern hatte im vergangenen Jahr einen Rekordverlust von 5,7 Milliarden Euro eingefahren. Der Bund als Eigentümer hat Milliardenhilfen in Aussicht gestellt. Rund zwei Milliarden Euro muss die Bahn selbst einsparen.
«Wir akzeptieren die Zahlen», sagte Weselsky am Dienstag. Doch die Verluste seien Sache des Bundes. Die Bewältigung der Schäden dürfe nicht auf die Beschäftigten abgewälzt werden, die den Betrieb auch während der Corona-Zeit am Laufen gehalten hätten. Weselsky fordert deshalb einen größeren Beitrag der rund 3500 Führungskräfte im Konzern, an deren Boni-Zahlungen aus seiner Sicht kaum gerüttelt wird.
Der GDL-Chef verknüpft außerdem ein weiteres Thema mit den Tarifverhandlungen: Im Bahn-Konzern ringt die GDL mit der größeren EVG um Macht und Einfluss. Allerdings sieht sich Weselsky wegen des Tarifeinheitsgesetzes benachteiligt, das der Konzern seit April anwendet. Damit kommt in den rund 300 Betrieben nur der Tarifvertrag der jeweils stärkeren Gewerkschaft zur Anwendung. Laut Bahn ist das in den allermeisten Betrieben die EVG. Nur bei 16 Unternehmen werden demnach die Tarifverträge der GDL angewendet. Die Gewerkschaft geht nach eigener Aussage gerichtlich gegen diese Festlegung vor.
Bis Ende vergangenen Jahres hatte ein Grundlagenvertrag zwischen GDL und Konzern dafür gesorgt, dass auch die Verträge der kleineren Gewerkschaft angewendet werden. Doch dieser lief Ende 2020 aus. Eine Anschlussregelung gibt es noch nicht.
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