3. Dezember 2024

Börsenprofi

Die Börsen im Überblick

Weg von Öl und Gas: Die Pläne zum Heizungstausch

Weg von Öl und Gas: Die Pläne zum Heizungstausch

Zentraler Schritt auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität - oder Wärmewende mit der «Brechstange»? Am Gesetz zum Heizungstausch scheiden sich die Geister. Die kontroverse Debatte dürfte noch lange nicht zu Ende sein.

Im Sinne des Klimaschutzes will die Bundesregierung den Abschied von Gas- und Ölheizungen einläuten. Das Bundeskabinett brachte am Mittwoch umstrittene Pläne zum Heizungstausch auf den Weg. Geplant ist auch eine neue Förderung mit «Klimaboni», um Hauseigentümer finanziell nicht zu überfordern.

Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) und Bauministerin Klara Geywitz (SPD) sprachen von einem großen Schritt. Kanzler Olaf Scholz (SPD) schrieb auf Twitter: «Der Einstieg in die Zukunft des Heizens ist geschafft.» Der Koalitionspartner FDP allerdings fordert Nachbesserungen, von Opposition und Verbänden kommt scharfe Kritik.

Warum der Heizungstausch kommen soll

Der Heizungstausch soll laut Gesetzentwurf ein «zentraler Schritt» auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität in Deutschland im Jahr 2045 sein – dann sollen nicht mehr klimaschädliche Gase ausgestoßen werden als auch wieder gebunden werden können. Derzeit werde noch mehr als 80 Prozent der Wärmenachfrage durch die Verbrennung von fossilen Energieträgern gedeckt. Von den rund 41 Millionen Haushalten in Deutschland heize nahezu jeder zweite mit Erdgas, gefolgt von Heizöl mit knapp 25 Prozent und Fernwärme mit gut 14 Prozent. Stromdirektheizungen und Wärmepumpen machten jeweils nicht einmal 3 Prozent aus.

Geywitz sagte, das Gesetz werde nicht dazu führen, dass Menschen gezwungen seien, ihr Haus zu verkaufen, weil sie sich nicht an die Anforderungen halten könnten. Es gebe großzügige Übergangsfristen und Ausnahmen.

Beide Minister machten deutlich, trotz aktuell höherer Investitionskosten für klimafreundlichere Heizungen werde sich ein Umstieg auf lange Sicht lohnen.

Die Kernpunkte

Ab dem Jahr 2024 soll jede neu eingebaute Heizung auf Basis von 65 Prozent erneuerbaren Energien betrieben werden. Das soll «technologieneutral» passieren. Habeck setzt vor allem auf den Einbau von Wärmepumpen. Im Gesetzentwurf genannt werden aber auch ein Anschluss an ein Wärmenetz oder eine Stromdirektheizung und unter Voraussetztungen etwa eine Heizung auf der Basis von Solarthermie, eine Biomasseheizung, eine Wasserstoffheizung oder eine Gasheizung, die nachweislich erneuerbare Gase nutzt.

Eine sofortige Austauschpflicht bei Bestandsgebäuden gibt es nicht. Bestehende Heizungen können also weiter betrieben werden. Falls die Heizung kaputt geht und nicht mehr repariert werden kann, soll es Übergangsfristen geben.

Spätestens bis zum Jahr 2045 soll aber die Nutzung von fossilen Energieträgern beendet sein, danach müssen alle Heizungen vollständig mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Schon bisher sieht das Gebäudeenergiegesetz vor, dass Hauseigentümer ihre Heizkessel, die mit einem flüssigen oder gasförmigen Brennstoff beschickt werden und ab dem 1. Januar 1991 eingebaut oder aufgestellt worden sind, nach Ablauf von 30 Jahren nicht mehr betreiben dürfen.

Sonderregeln

Sonderregeln gibt es etwa in Fällen, in denen die Heizung kaputt geht. Das betrifft zum Beispiel Eigentümer von Häusern mit nicht mehr als sechs Wohnungen, die selber im Gebäude wohnen und älter als 80 Jahre sind – dann muss die 65-Prozent-Vorgabe für erneuerbare Energien nicht eingehalten werden.

Generell soll es bei einer sogenannten Heizungshavarie Übergangsfristen geben – das sind Fälle, in denen der Betrieb der Heizungen nicht mehr möglich ist, die Anlage nicht mehr repariert werden kann und schnell ausgetauscht werden muss. Dann soll die Pflicht zur Erfüllung der Erneuerbare-Vorgabe innerhalb von drei Jahren nach dem Heizungsaustausch erfüllt werden. In der Übergangszeit kann vorübergehend eine Gas- oder Ölheizung eingebaut und betrieben werden.

Auch nach dem 1. Januar 2024 sollen zwar noch Öl- und Gasheizungen eingebaut werden dürfen – aber nur unter bestimmten Voraussetzungen. Sie müssen künftig grundsätzlich mindestens 65 Prozent grüne Gase wie Biomethan oder Öle aus erneuerbaren Rohstoffen beziehen. Auch Gasheizungen, die heute noch Erdgas verbrennen und künftig auch reinen Wasserstoff nutzen können, sind unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Das aber nur, wenn der Gasnetzbetreiber einen Investitions- und Transformationsplan für Wasserstoffnetze hat und die Heizungen ab 2030 mindestens 50 Prozent Biomethan, Wasserstoff oder andere grüne Gase und ab 2035 mindestens 65 Prozent grünen oder blauen Wasserstoff aus einem Wasserstoffnetz nutzen.

Was für Mieter geplant ist

Mieter sollen vor einem starken Anstieg der Heizkosten geschützt werden. So sollen Vermieter bei der Betriebskostenabrechnung bei Gasheizungen auf Basis von Biomethan nur den Betrag weitergeben dürfen, der zur Erzeugung derselben Menge an Heizwärme mit einer hinreichend effizienten Wärmepumpe anfiele.

Ansonsten bestehe die Gefahr, dass Vermieter weiter eine in der Anschaffung günstige Gasheizung einbauen und Mieter in der Folge mit hohen Betriebskosten belastet wären, so die Bundesregierung. Regelungen sind auch geplant, um Mieter in energetisch schlechteren Gebäuden vor zu hohen Betriebskosten bei dem Einbau einer weniger effizienten Wärmepumpe zu schützen.

Wie die neue Förderung aussieht

Die Bundesregierung plant ein neues Fördersystem. Unter bestimmten Voraussetzungen soll es einen «Klimabonus» geben. Habeck wollte eigentlich eine starke soziale Staffelung. Es habe in der Koalition aber keine Verständigung auf eine Einkommensprüfung gegeben, sagte er. «Zwischen Normalverdienern und Villenbesitzern wird kein Unterschied gemacht», räumte er nun ein. Für Menschen, die Sozialtransfers bekommen, soll aber die Pflicht entfallen, dass von 2024 an jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit Erneuerbaren betrieben werden soll.

Bei der Förderung ist Folgendes vorgesehen: Derzeit wird der Heizungsaustausch einem Papier aus der Bundesregierung zufolge je nach Technologie in Höhe von 10 bis zu 40 Prozent bezuschusst. Künftig soll es für alle Bürger im selbst genutzten Wohneigentum eine Grundförderung für den Tausch einer alten fossilen gegen eine neue klimafreundliche Heizung geben – der Fördersatz soll auf 30 Prozent vereinheitlicht werden.

Zusätzlich soll es unter bestimmten Voraussetzungen Zuschläge in Form von «Klimaboni» von zusätzlich 10 bis 20 Prozent geben. So soll es einen Klimabonus in Höhe von 20 Prozent zusätzlich zur Grundförderung für Menschen geben, die einkommensabhängige Transferleistungen bekommen – also etwa Empfänger von Wohngeld, Grundsicherung im Alter oder Kinderzuschlag. Eigentümer, bei denen eine Austauschpflicht besteht, sollen einen Klimabonus von 10 Prozent bekommen – wenn sie ihre besonders alte und ineffiziente Heizung bereits vor der Frist tauschen oder eine Heizung mit höherem Anteil Erneuerbarer einbauen.

Warum es Vorbehalte gibt

Die Union warf der Ampel-Koalition eine Wärmewende mit «Brechstange» vor, der viele Menschen finanziell zu überfordern drohe. Außerdem könne niemand sagen, woher die Handwerker für den Einbau klimafreundlicher Heizungen kommen sollten.

Offen ist die Frage, wie steigende Gasnetzgebühren verhindert werden sollen – wenn viele Menschen bald auf eine Wärmepumpe umsteigen, drohen die Gebühren für die anderen zu steigen.

Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner forderte in einer Protokollerklärung zum Kabinettsbeschluss eine «praxistaugliche und finanzierbare» Umsetzung des Grundsatzes der Technologieoffenheit. Gerade beim Ausbau von Wärmenetzen und bei der Zukunftstechnologie Wasserstoff müsse auf angemessene Übergangsfristen geachtet werden.

Der FDP-Energiepolitiker Michael Kruse sagte, die FDP werde einem «Massentausch von Heizungen» durch die starre Umstellung auf Wasserstoff im Jahr 2035 nicht zustimmen.

Der Stadtwerkeverband VKU kritisierte, die vollständige Umstellung des Verteilnetzes auf Wasserstoff und grüne Gase werde statt im Jahr 2045 bereits im Jahr 2035 gefordert. «Die Zeit für die Umstellung ist viel zu knapp.» Der VKU betonte zudem die Bedeutung der kommunalen Wärmeplanung.

Von Andreas Hoenig und Martina Herzog, dpa