Wenn es ums Essen geht, ist eines schon mal sicher: Zuallererst soll es schmecken. 99 Prozent der Befragten finden das auch in der neuen Auflage einer jährlichen Umfrage, die das Bundesernährungsministerium am Freitag in Berlin vorlegte.
In Zeiten hoher Inflation und der Klimakrise wandeln sich aber manche Ess- und Einkaufsgewohnheiten – und auch die Erwartungen an die Lebensmittelproduktion. Täglich Fleisch zu essen, wird seltener. Pflanzliche Alternativen legen zumindest langsam zu. Doch aufs Geld und die Zeit achten müssen oder wollen auch viele. Die Politik will den Trend zur Nachhaltigkeit mit neuen Kennzeichnungen stützen. Um Wege zu einer gesünderen Ernährung gibt es aber Streit.
Minister Cem Özdemir sagte bei der Vorstellung des «Ernährungsreports 2023», die Esskultur entwickele sich rasant weiter. «Daraus sollte man keinen Kulturkampf machen.» Die Menschen entschieden beim Essen ganz bewusst. Es gelte daher, dafür zu sorgen, dass man die Wahl habe, und es leichter werde, sich gut zu ernähren. Viele seien längst weiter als «der eine oder andere schrille Ton» im politischen Streit.
Immer weniger Fleisch
Täglich oder mehrmals täglich Fleisch und Wurst essen der Umfrage zufolge noch 20 Prozent der Menschen. Im vergangenen Jahr sagten das 25 Prozent und 2015 noch 34 Prozent. Zugleich werden vegane oder vegetarische Alternativen zu Fleisch und Milch beliebter. Zehn Prozent greifen inzwischen täglich zu solchen pflanzlichen Produkten – nach neun Prozent im vergangenen Jahr und fünf Prozent bei der ersten Abfrage 2020. Unter 14- bis 29-Jährigen sind es nun mit 18 Prozent am meisten. Für die repräsentative Umfrage befragte das Institut Forsa den Angaben zufolge vom 15. bis 26. Mai 1001 Menschen ab 14 Jahre.
«Die Zahl der Flexitarier nimmt tendenziell zu», erläuterte Özdemir. Gemeint sind flexible Vegetarier, die bewusst weniger Fleisch essen, dann aber oft von besserer Qualität. Das große Wachstumspotenzial des Markts mit pflanzenbasierten Produkten habe die Lebensmittelbranche auch schon erkannt, so Özdemir. Die Umweltorganisation WWF rief auch den Handel zum Umsteuern beim Marketing auf. Etwa zur Grillsaison werde für Fleisch bisher viel mehr geworben als für Ersatzprodukte.
Zeit, Geld und mehr
Beim Kochen sollte es für viele nicht zu kompliziert und zu aufwendig zugehen. Gut der Hälfte (52 Prozent) der Befragten ist es wichtig oder sehr wichtig, dass das Essen einfach und schnell zuzubereiten ist. Das fanden 60 Prozent der Frauen und 43 Prozent der Männer. Bei den Kriterien für die Auswahl von Produkten zeigen sich auch Effekte der nach wie vor stark steigenden Lebensmittelpreise. «Ich achte darauf, dass es preiswert ist», sagten nun 57 Prozent nach 47 Prozent im Vorjahr. Auf Angebote achten 73 Prozent nach zuvor 61 Prozent.
Die Verbraucherzentralen warnten, dass steigende Preise eine gesunde und nachhaltige Ernährung immer schwieriger machten. Und die Ursachen für die weiter hohen Preise seien völlig unklar. «Das muss sich ändern», sagte die Chefin des Bundesverbands, Ramona Pop. Noch vor dem Preis rangieren in der Liste der Kauf-Kriterien Aspekte einer nachhaltigen Erzeugung: So achten 80 Prozent nach eigenem Bekunden darauf, wie das Tier gehalten wurde, von dem ein Lebensmittel stammt. 74 Prozent nannten eine Umwelt- und ressourcenschonende Produktion.
Kennzeichnungen und Werbestreit
Um mehr Transparenz bei Kaufentscheidungen zu schaffen, sind mehrere neue Kennzeichnungen in Sicht. Bei Fleisch soll ab 2024 auch ein staatliches Logo die Form der Tierhaltung anzeigen. Starten soll die Pflichtkennzeichnung für inländische Erzeugnisse mit Schweinefleisch im Handel. Geplant ist ein System mit fünf Haltungskategorien während der Mast vom gesetzlichen Mindeststandard bis Bio. Seit längerem gibt es schon eine Kennzeichnung der Supermarktketten. Den Bio-Anteil in Kantinen und Restaurants sollen Essensgäste bald an einem kreisrunden Logo in den Medaillenfarben Gold, Silber und Bronze erkennen können.
Ein Baustein für gesündere Ernährung steckt in der Ampel-Koalition fest. Özdemir warb erneut für seine Gesetzespläne zu Werbeverboten für ungesunde Lebensmittel an die Adresse von Kindern, die er auch schon enger fasste. Der FDP-Fachpolitiker Gero Hocker betonte indes: «Ernährungsbildung, anderer Sportunterricht und mehr Bewegung im Alltag helfen übergewichtigen Kindern mehr als alle Verbote.» Er verwies auf eine Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages. Darin heißt es, es gebe zwar Berechnungen, wonach Werbeverbote zu einem Rückgang der Verbreitung von Adipositas bei Kindern beitragen könnten. Es existierten jedoch, soweit erkennbar, keine Studien, die einen direkten Zusammenhang konkret belegten.
Ähnliche Beiträge
Nebenkostenprivileg beendet – Mieter müssen bei TV umplanen
Frankreich startet Kennzeichnungspflicht für Mogelpackungen
Aktivität in Chinas produzierendem Gewerbe weiter rückläufig