Süßigkeiten-Spots zwischen Trickfilmen, Chips-Reklame im Internet und beim TV-Länderspiel: An Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit zu viel Zucker, Fett und Salz soll nach Plänen von Bundesernährungsminister Cem Özdemir per Gesetz eingedämmt werden.
Mit Blick auf Unter-14-Jährige sollen dafür Werbeverbote in «allen für Kinder relevanten Medien» kommen – und zwar nicht nur für reine Kindersendungen, sondern von 6.00 Uhr bis in den späten Abend um 23.00 Uhr. «Wir müssen dafür sorgen, dass Kinder gesünder aufwachsen können», sagte der Grünen-Politiker am Montag in Berlin. Gesundheits- und Verbraucherexperten begrüßten die Pläne. Aus der Wirtschaft, von der Opposition und auch von der mitregierenden FDP kam Kritik.
Özdemir sagte, bisherige freiwillige Selbstverpflichtungen hätten versagt. «Warum lassen wir es zu, dass Kinder im Schnitt täglich 15 Werbespots für Zuckerbomben, für salzige und fettige Snacks sehen?» Kinder seien besonders empfänglich für Werbung, die sie oft auch nicht als solche erkennen könnten. Dabei seien 15 Prozent der Drei- bis 17-Jährigen hierzulande übergewichtig, woraus ein erhöhtes Risiko für Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen folgen könne. Und in der Kindheit festigten sich Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten.
Die Tücken liegen in den Details
Verbraucher- und Medizinverbände dringen schon seit längerem zum Handeln beim Marketing für Kinderprodukte. SPD, FDP und Grüne haben solche Werbebeschränkungen auch grundsätzlich im Koalitionsvertrag vereinbart. Nun legte Özdemir Punkte für einen Gesetzentwurf dazu vor, die zunächst in der Bundesregierung weiter abgestimmt werden sollen – und Tücken dürften dabei noch in einigen Details liegen.
Als Messlatte, ab wann Produkte «zu viel» Salz, Fett und Zucker enthalten, sollen Nährwertprofile der Weltgesundheitsorganisation (WHO) dienen, die auf Regulierungen für Kinder zielen. Dabei handelt es sich um Höchstwerte für mehrere Kategorien, die beispielsweise bei Frühstückscerealien wie Müslis nicht mehr als 15 Gramm Zucker pro 100 Gramm vorsehen. Überschreiten Produkte die empfohlenen Profile, dürfen sie also nicht mehr für Kinder angepriesen werden. Nicht tabu sein soll laut Ministerium Werbung für Milch und normale Obstsäfte.
Die Werbeverbote sollen dann auf breiter Front greifen: In Presse, Radio und Fernsehen, im Internet samt Streaming, sozialen Netzwerken, für Influencerinnen und Influencer. Dass eine Werbung an Kinder gerichtet ist, lässt sich laut Ministerium etwa an Kindern als Darstellern und Produkten mit Farben und Kindermotiven festmachen. Im Fernsehen sind mit der langen Zeitspanne von 6.00 bis 23.00 Uhr auch Familienfilme oder Fußballspiele im Abendprogramm eingeschlossen. Vom Verbot umfasst sein sollen Spots für Salziges und Fettiges in der Halbzeit dann auch, wenn sie nicht mit Kinderoptik gestaltet sind.
Bessere «Ernährungsumgebung» für Kinder
Kommen soll das Verbot außerdem auch für Außenwerbung auf Plakaten in einer «Bannmeile» von 100 Metern um Schulen, Kitas, Spielplätze und Freizeiteinrichtungen für Kinder – und für Sponsoring, das sich etwa bei Veranstaltungen an Kinder richtet. Özdemir betonte, es gehe nicht um ein generelles Reklameverbot. Auch für Chips und Schokolade dürfe weiter geworben werden, nur eben nicht gezielt an Kinder. Hersteller könnten auch Rezepturen verändern. Eltern sollten darin unterstützt werden, eine bessere «Ernährungsumgebung» für Kinder zu schaffen.
Die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten, der Verbände und medizinische Fachgesellschaften angehören, begrüßte den umfassenden Ansatz als «Meilenstein für die Kindergesundheit». Viele beliebte Sendungen bei Kindern seien Familienshows und Fußballübertragungen. Die Verbraucherorganisation Foodwatch hob hervor, Özdemir mache endlich Schluss mit dem lange erfolglosen Prinzip der Freiwilligkeit.
Der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft kritisierte eine «untaugliche Verbotspolitik», die in Kauf nehme, die Refinanzierung von Medien und Sport weitgehend zu beschädigen und den Wettbewerb auszuschalten. Die Verbände der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger betonten, zur Finanzierung der Presse seien Werbeeinnahmen weiterhin unverzichtbar. Der Lebensmittelverband warnte vor symbolischen Maßnahmen. Die Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion von CDU/CSU, Gitta Connemann (CDU) kritisierte «Bevormundung pur». Nicht Werbung sei das Problem, sondern übermäßiger Konsum.
In der Koalition gab es ein geteiltes Echo. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) unterstützte Özdemir. Oft beginne eine chronische Krankheit in der Kindheit, ungesunde Ernährung sei häufig der Anfang. SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch begrüßte den Gesetzesvorschlag. «Wir wollen Kinder besser vor Werbung schützen, damit ungesunde Lebensweisen gar nicht erst normalisiert werden.» Grünen-Expertin Renate Künast wies auf hohe gesellschaftliche Kosten von Krankheiten hin. Die FDP meldete dagegen erhebliche Einwände an. Fachpolitiker Gero Hocker mahnte, ein Werbeverbot dürfe sich «nicht an willkürlich festgelegten Uhrzeiten orientieren, sondern muss am tatsächlichen Zuschaueranteil von Kindern festgemacht werden».
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