22. November 2024

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Wirecard: Mutmaßliche Helfer von Marsalek festgenommen

Die Affäre um den untergetauchten Ex-Wirecard-Vorstand Marsalek wird immer bizarrer. Bei der Flucht soll er Helfer aus dem Umfeld der FPÖ und eines Geheimdienstes gehabt haben.

Im Zusammenhang mit dem Wirecard-Skandal ermittelt die Wiener Staatsanwaltschaft in Österreichs Politik und im Geheimdienstmilieu gegen mutmaßliche Fluchthelfer des untergetauchten Managers Jan Marsalek.

Dabei handelt es sich um einen FPÖ-Politiker, der in anderer Sache bereits unter Betrugsverdacht geraten war, sowie einen ehemaligen und einen suspendierten Mitarbeiter des österreichischen Verfassungsschutzes. Alle drei wurden festgenommen, einer der beiden Ex-Geheimdienstmänner ist zunächst wieder auf freiem Fuß. Das bestätigte die Staatsanwaltschaft Wien am Montag. Die Ermittlungen gegen alle drei laufen wegen des Verdachts der Begünstigung.

Der Ex-Nationalratsabgeordnete Thomas Schellenbacher war vorher schon im Visier der Wiener Justiz und sitzt nun in Untersuchungshaft. Sein Anwalt räumte ein, dass der FPÖ-Politiker dem Wirecard-Manager Marsalek kurz vor der Insolvenz im Juni half, den Flug nach Minsk zu buchen, mit dem sich dieser absetzte. Strafbar habe sich Schellenbacher damit aber nicht gemacht, weil damals noch kein Haftbefehl gegen Marsalek vorgelegen habe, sagte Anwalt Farid Rifaat der österreichischen Nachrichtenagentur APA.

Der ehemalige Abteilungsleiter des österreichischen Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) soll ebenfalls bei der Flucht nach Minsk geholfen haben, ist demnach aber wieder auf freiem Fuß. Beim dritten Verdächtigen sei noch unklar, ob Untersuchungshaft verhängt werde, hieß es bei der Wiener Staatsanwaltschaft. Österreichs Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) kündigte eine schonungslose Aufklärung an: «Wir greifen konsequent durch und schaffen Schritt für Schritt durch die Aufklärung dieses Kriminalfalls einen sauberen Neustart für den Verfassungsschutz.»

Der ehemalige Wirecard-Vertriebsvorstand Marsalek ist seit dem Flug nach Minsk untergetaucht, er gilt als Schlüsselfigur des Skandals. Die Münchner Staatsanwaltschaft lässt international nach dem österreichischen Manager suchen.

Marsalek soll maßgeblich an dem System des «Bandenbetrugs» beteiligt gewesen sein, von dem die Münchner Staatsanwaltschaft ausgeht. Die Wirecard-Chefetage soll die Bilanzen des Konzerns spätestens seit 2015 mit erfundenen Gewinnen manipuliert haben. Dank der erdichteten Profite bekam Wirecard problemlos Kredite, die nun zum größten Teil verloren sind.

Der Schaden für Banken und Investoren könnte laut Münchner Staatsanwaltschaft bei mehr als drei Milliarden Euro liegen. Außerdem geht die Münchner Staatsanwaltschaft der Frage nach, ob Marsalek und andere Beschuldigte dreistellige Millionensummen aus dem Wirecard-Firmenvermögen abzweigten und auf die Seite schafften.

Auch in Deutschland steht die Frage nach Marsaleks österreichischen Geheimdienstkontakten im Raum. Im Herbst schloss der Generalbundesanwalt nicht aus, dass der Ex-Manager V-Mann des österreichischen Verfassungsschutzes war, wie es in einer Antwort des Bundesjustizministeriums in Berlin auf eine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Fabio De Masi (Linke) hieß.

Inzwischen geht das Bundesinnenministerium davon aus, dass Marsalek zumindest nicht gegen Deutschland spionierte.

«Es haben sich keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die im Raum stehenden Kontakte Jan Marsaleks zum Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung den Tatbestand einer gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichteten geheimdienstlichen Agententätigkeit oder eines sonstigen in die Verfolgungszuständigkeit des GBA fallenden Straftatbestands erfüllen könnten», hieß es im Dezember auf eine Anfrage des Linken-Abgeordneten Michael Leutert.

Aus Sicht der österreichischen Grünen sind die Festnahmen ein weiterer Puzzlestein in den Beziehungen zwischen Verfassungsschützern, Wirecard, FPÖ und Jan Marsalek. Der Verdacht eines besonderen Näheverhältnisses der Beteiligten werde erhärtet, so der Abgeordnete der Grünen, David Stögmüller. «Marsalek hat Politiker mit Macht und Beamte mit Zugang zu klassifizierten Unterlagen gebraucht, gesucht und auch gefunden. (…) Und welche Rolle hatte dabei Russland und der russische militärische Geheimdienst, mit dem Marsalek ja äußerst gute Verbindungen pflegte?»

Das 2002 gegründete BVT ist einer von drei Nachrichtendiensten in Österreich. Es analysiert unter anderem Gefahren durch extremistische Strömungen wie radikalen Islamismus und Rechtsextremismus. Das Amt geriet in den vergangenen Jahren durch verschiedene Affären in Misskredit.

Von Matthias Röder und Carsten Hoefer, dpa