Eine erste Entscheidung des bayerischen Obersten Landesgerichts dämpft im Wirecard-Skandal die Hoffnungen zehntausender Aktionäre auf Schadenersatz. Im Kapitalanleger-Musterverfahren können demnach keine Schadenersatzansprüche gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY vorgebracht werden, die die Bilanzen des Skandalkonzerns bis zu dessen Kollaps im Sommer 2020 bestätigt hatten. Das verkündete Gerichtspräsidentin Andrea Schmidt am Freitag. Musterklägeranwalt Peter Mattil nannte die Entscheidung «hundertprozentig falsch» und kündigte Beschwerde beim Bundesgerichtshof an.
Das zivilrechtliche Musterverfahren vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht läuft parallel zum Strafprozess, in dem sich Ex-Vorstandschef Markus Braun und zwei Mitangeklagte seit Dezember 2022 verantworten müssen. Auf Schadenersatz geklagt haben nach Worten der Richterin mittlerweile knapp 8700 Anleger. Weitere 19.000 haben Ansprüche angemeldet, ohne selbst zu klagen.
Ein Kläger für alle
Als Musterkläger hat der 1. Zivilsenat quasi stellvertretend einen hessischen Bankkaufmann ausgewählt, der eine halbe Million Euro mit Wirecard-Papieren verloren hat. Eigentliche Zielscheibe der Kläger ist EY: Das Unternehmen ist solvent, während bei Ex-Vorstandschef Braun und Co. nach allgemeiner Einschätzung nichts mehr zu holen ist.
«Nicht statthaft»
Gerichtspräsidentin Schmidt begründete den «Teilmusterentscheid»: In Musterverfahren gebündelt werden können nur Klagen wegen falscher Information des Kapitalmarkts. Gemeint sind damit unter anderem falsche Bilanzen und falsche Pflichtmitteilungen an die Börse. EY hat jedoch nach Argumentation des Senats die falschen Wirecard-Bilanzen inklusive des EY-Bestätigungsvermerks nicht selbst veröffentlicht, sondern die Wirecard-Chefetage. Insofern sind Schadenersatzansprüche gegen EY im Musterverfahren laut Gericht «nicht statthaft».
Musterverfahren gegen Braun läuft weiter
Die Entscheidung bedeutet nicht, dass Wirecard-Aktionäre grundsätzlich nicht gegen EY klagen könnten. Doch Grundlage müsste nach Worten der Richterin die «Verletzung von Prüfpflichten» sein, nicht die falsche Information des Kapitalmarkts. Die Schadenersatzansprüche gegen Braun und andere ehemalige Wirecard-Größen werden in dem Musterverfahren ohne Umweg über den BGH weiter verhandelt. «Es geht weiter», sagte Schmidt.
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