Nach der Rücknahme des geplanten Oster-Lockdowns durch Kanzlerin Angela Merkel haben sich führende Wirtschaftsvertreter erleichtert geäußert.
«Die mutige Entscheidung der Bundeskanzlerin beweist Führungsstärke», sagte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. Ähnlich äußerten sich Vertreter von Industrie und Handel.
Bund und Länder hatten überraschend beschlossen, das wirtschaftliche Leben über Ostern für fünf Tage weitgehend herunterzufahren, um die dritte Welle der Coronavirus-Pandemie zu bremsen. Der überraschende Vorstoß war fast einhellig auf Unverständnis gestoßen, unter anderem wegen rechtlicher Probleme bei der Umsetzung. Lebensmittelhändler, die am Karsamstag hätten öffnen dürfen, befürchteten für diesen Tag sowie für den Mittwoch vor Ostern einen Kundenansturm.
Der Handelsverband Deutschland sprach am Mittwoch denn auch von einem «Signal der Vernunft». Hauptgeschäftsführer Stefan Genth sagte: «In Zeiten von Corona muss es darum gehen, den Kundenandrang zu verteilen und nicht durch zusätzliche Schließungen für Schlangen vor den Geschäften zu sorgen.» Der Logistikverband DSLV erklärte, für einen bundesweiten Stillstand aller Branchen gebe es keinen Plan B. Lokale Versorgungsengpässe hätten demnach auch Privathaushalte treffen können.
Auch in der Industrie hatten die Ankündigungen von Bund und Ländern für viele Fragen gesorgt. Hersteller wollten wissen, ob die vorgesehenen «Ruhetage» einen Produktionsstopp in Fabriken bedeuten. Unklarheit herrschte auch über die Auswirkungen auf internationale Lieferketten oder auf Mitarbeiter, etwa mit Blick auf Feiertagszuschläge oder Löhne?
Das Bundesinnenministerium sollte eigentlich bis Mittwochabend eine Musterverordnung erarbeiten, um die vielen Fragen zu klären. Doch im Laufe des Tages vollzog Merkel die Kehrtwende und kassierte den Vorschlag. Der Vorgang habe zusätzliche Verunsicherung ausgelöst, sagte die CDU-Politikerin im Kanzleramt. «Das bedauere ich zutiefst, und dafür bitte ich alle Bürgerinnen und Bürger um Verzeihung.»
Auch aus der Industrie kamen lobende Worte für ihre Korrektur. «Einen Fehler einzuräumen, zeugt von Größe», sagte die Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller. Bundes- und Landesregierungen seien in einer schwierigen Lage.
Der Maschinenbauverband VDMA geht davon aus, dass den Unternehmen milliardenschwere Kosten durch die Ruhetage erspart bleiben. Zudem würden negative Effekte bei der Versorgung und bei Lieferketten vermieden. «Die Vernunft hat sich in einer schwierigen Situation durchgesetzt», sagte Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann. Der Außenhandelsverband BGA bezeichnete den Kurswechsel als mutig. «Besser ein Schrecken mit Ende als umgekehrt», sagte Verbandspräsident Anton Börner.
Nach der Verkündung des Oster-Lockdowns am Dienstag hatten Verbandsvertreter kritisiert, die Politik habe die Folgen des plötzlichen Oster-Lockdowns überhaupt nicht durchdacht. Sie befürchteten hohe Schäden auch für die Industrie, die wegen der Auslandsnachfrage zurzeit besser durch die Krise kommt als Branchen wie die Gastronomie, die von monatelangen Schließungen gebeutelt ist.
Doch auch nach der Kehrtwende stehen Bund und Länder vor der Herausforderung, gegen ansteckendere Varianten des Coronavirus zu kämpfen und gleichzeitig den Schaden für die Wirtschaft möglichst kleinzuhalten. Dabei helfen sollen unter anderem Corona-Tests für Beschäftigte. Die Politik setzt dabei zunächst weiter auf die Freiwilligkeit von Firmen. Anfang April soll es von Wirtschaftsverbänden einen ersten Umsetzungsbericht geben, wie viele Unternehmen sich beteiligen. Auf dieser Grundlage will die Bundesregierung bewerten, ob es doch zu gesetzlichen Auflagen kommt.
Neben der Erleichterung kamen am Mittwoch aus der Wirtschaft auch mahnende Worte. Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer sprach angesichts von Merkels Entscheidung von «großem Respekt». Zugleich appellierte er an die Betriebe, mit der Beachtung der Corona-Regeln und weniger Kontakten die Ausbreitung des Virus zu verhindern. «Wir wollen, dass alle gesund bleiben.»
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