Schon der Bau war wegen des Widerstands aus den USA schwierig. Schwierig bleibt es auch nach Fertigstellung der Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2: Nun hat die Bundesnetzagentur ein Zertifizierungsverfahren vorerst ausgesetzt.
Ohne grünes Licht von der Bonner Behörde ist der Gastransport durch den 1230 Kilometer langen Doppelstrang von Russland durch die Ostsee nach Deutschland unzulässig.
Hintergrund des Verfahrens ist die EU-Gasrichtlinie, die eine Trennung von Betrieb der Leitung und Vertrieb des Gases vorschreibt. Einziger Anteilseigner der Nord Stream 2 AG ist formal der russische Gaskonzern Gazprom. Die Nord Stream 2 AG mit Sitz im schweizerischen Zug hatte bei der Bundesnetzagentur die Zertifizierung als unabhängige Betreiberin beantragt.
«Die Bundesnetzagentur ist nach eingehender Prüfung der Unterlagen zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Zertifizierung eines Betreibers der Leitung Nord Stream 2 nur dann in Betracht kommt, wenn der Betreiber in einer Rechtsform nach deutschem Recht organisiert ist», teilte die Behörde nun mit. Dem will das Unternehmen mit der Gründung einer Tochterfirma mit Sitz in Deutschland entsprechen. «Unser Unternehmen will mit diesem Schritt die Einhaltung von geltendem Recht und Richtlinien gewährleisten», hieß es am Dienstag.
Laut Behörde soll die Tochterfirma Eigentümerin des deutschen Teilstücks der Pipeline werden und dieses betreiben. Sie müsse als neue Antragstellerin entsprechende Unterlagen einreichen, bevor das Zertifizierungsverfahren weitergehen kann. Die Frist für das Verfahren läuft im Januar ab. Selbst wenn die Bundesnetzagentur grünes Licht gibt, ist anschließend eine Überprüfung durch die EU-Kommission vorgesehen. Diese könnte sich bis zu vier Monate dafür Zeit lassen – auch weil der politische Druck von Pipeline-Gegnern innerhalb der EU groß ist. Nach der Stellungnahme aus Brüssel hat wiederum die Bundesnetzagentur zwei Monate Zeit für eine etwaige Zertifizierung.
Das Bundeswirtschaftsministerium bezeichnete die Entscheidung aus Bonn als richtig. Es handle sich um rein regulatorische Fragen, sagte eine Sprecherin. Vorbehaltlich weiterer Prüfungen berühre dies nicht die Einschätzung des Ministeriums bezüglich der Versorgungssicherheitsanalyse. Das Ministerium war zum Ergebnis gekommen, dass die Erteilung einer Zertifizierung für Nord Stream 2 die Sicherheit der Gasversorgung Deutschlands und der EU nicht gefährde.
Der Fraktionsvizechef der Grünen im Bundestag, Oliver Krischer, sagte der «Rheinischen Post» (Mittwoch): «Die Bundesnetzagentur prüft nach Recht und Gesetz – und das ist auch gut so». Der FDP-Experte Hagen Reinhold forderte das Unternehmen auf, rasch seine Hausaufgaben zu machen. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte, die Pipeline sei eine Infrastruktur zur Energieversorgung, deren Inbetriebnahme «auf Sicht» ermöglicht werden solle. Er halte aber mehr Wettbewerb im Gasbereich für wichtig. So sollte der Anteil von US-Flüssiggas deutlich erhöht werden. Der Bundestagsabgeordnete der Linken, Klaus Ernst, kritisierte hingegen, die Entscheidung treibe die Gaspreise weiter an. Diese seien teilweise um zehn Prozent gestiegen.
Kiew begrüßt Aussetzung
Von ukrainischer Seite wurde die Aussetzung zwar als «gute Nachricht» begrüßt. Gleichzeitig warf der Geschäftsführer des ukrainischen Staatskonzerns Naftogaz, Jurij Witrenko, Gazprom mit der Gründung einer deutschen Tochterfirma «juristische Tricks» vor. «Dies ist eine Verhöhnung der europäischen Regeln: Es entspricht weder dem Geist noch dem Wortlaut der europäischen Gesetzgebung zur Zertifizierung von Gasleitungen.» Naftogaz und die ebenfalls staatliche Betreiberfirma des ukrainischen Gastransportsystems waren tags zuvor eigenen Angaben zufolge von der Bundesnetzagentur zum Zertifizierungsverfahren beigeladen worden. Im wichtigen Transitland für russisches Gas wird die Ostsee-Pipeline kritisch gesehen.
Die Nord Stream 2 AG bemüht sich gerichtlich, die Zertifizierung überflüssig zu machen. Das Unternehmen geht vor dem Bundesgerichtshof, einem Schiedsgericht sowie dem EuGH gegen entsprechende Regeln der EU-Gasrichtlinie oder deren Geltung für die Pipeline vor. Nach seiner Ansicht diskriminiert eine maßgebliche Änderung der Richtlinie das Projekt. Sie war 2019 – also nach Baubeginn – in Kraft getreten.
Gazprom hatte im September dieses Jahres die Fertigstellung der Leitung bekanntgegeben. Die Pipeline wurde je zur Hälfte von Gazprom und den Unternehmen OMV, Wintershall Dea, Engie, Uniper und Shell finanziert. Durch die Pipeline sollen jährlich 55 Milliarden Kubikmeter Gas geliefert werden.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) begrüßte die Entscheidung der Bundesnetzagentur. Sie scheiterte am Dienstag vor dem Oberverwaltungsgericht Greifswald mit einer Klage gegen das Bergamt Stralsund als Genehmigungsbehörde. Die DUH wollte erwirken, dass mögliche Emissionen des Treibhausgases Methan im Zusammenhang mit der Pipeline überprüft werden und verwies vor allem auf mögliche Leckagen beim vorausgehenden Gastransport und der Förderung in Russland. Das Gericht verwies auf bereits erfolgte Kontrollen im deutschen Hoheitsbereich. Russland sei hingegen nicht Teil des zugrundeliegenden Planfeststellungsverfahrens.
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