Vor einer außerordentlichen Hauptversammlung bei Tui in der kommenden Woche gehen die Meinungen über mögliche Hilfen Niedersachsens für den angeschlagenen Konzern deutlich auseinander.
Manche Politiker stören sich daran, dass eine Teilsumme von 400 Millionen Euro aus dem jüngsten Rettungspaket mit Bürgschaften des Landes abgesichert werden könnte. Nach Informationen aus dem Umfeld der Landesregierung ist dazu noch keine Entscheidung gefallen – am Dienstag (5.1.) sollen die Aktionäre des weltgrößten Reiseanbieters jedoch wichtige Bestandteile der zugesagten Finanzhilfen genehmigen.
Tui erhält unter anderem Milliardenkredite, die mehrheitlich vom Bund kommen. Eine Unterstützung aus Landesmitteln lehnen die Grünen ab. Ihr Finanzexperte Stefan Wenzel warnte: «Es ist nicht Aufgabe des Staates, die Tui-Investoren zu retten, die bislang herzlich wenig zur Lösung beigetragen haben.» Die FDP hatte eine Bürgschaft in diesem Fall bereits Anfang Dezember ein «unverantwortliches Risiko» genannt.
Die Gesamthilfe für Tui – private Kapitalspritzen inklusive – beläuft sich mittlerweile auf rund 4,8 Milliarden Euro. Auch ein Einstieg des Bundes über die Wandlung etwa von Anleihen in Aktien ist vorbereitet, was Kritiker staatlicher Eingriffe mit gemischten Gefühlen sehen.
Parallel dazu stehen im Tui-Konzern 8000 Stellen weltweit auf der Streichliste, vor allem im Ausland. Gewerkschafter kritisieren dies scharf – und ebenso, dass in guten Jahren relativ hohe Dividenden an die Eigentümer flossen, anstatt höhere Gewinnanteile ins Unternehmen zu investieren. Vorstandschef Fritz Joussen betonte dagegen: «Tui war vor der Krise kerngesund. Rund eine Milliarde operatives Ergebnis, rund eine Milliarde Investitionen pro Jahr, 21 Millionen Kunden in 2019 und 14 Prozent Buchungsplus zum Jahresbeginn 2020.»
Die Grünen sind dennoch der Ansicht, dass Garantien Niedersachsens im inzwischen dritten Hilfspaket das falsche Signal wären. «Um möglichst viele der Tui-Arbeitsplätze zu erhalten, ist anstelle der immer neuen Rettungspakete eine bessere Lösung nötig», so Wenzel. «Das kann ein Schutzschirmverfahren sein oder auch eine Maßnahme nach dem neuen Sanierungs- und Insolvenzrechts-Fortentwicklungsgesetz.»
CDU-Fraktionschef Dirk Toepffer sprach sich hingegen für eine Freigabe der Tui-Hilfen aus. Es gehe um rückzahlungspflichtige Bürgschaften und Kredite. Zudem betonte er: «Die Kritiker sollten sich bewusst machen, dass Tui Systemrelevanz hat, die sich spätestens dann bemerkbar macht, wenn Tausende Arbeitsplätze verloren gehen und die Menschen nicht mehr beim Reisebüro um die Ecke buchen können.»
Der Haushaltsausschuss des Landtages hatte kurz vor Weihnachten über mögliche Bürgschaften entscheiden wollen. Es soll nun aber Bedarf für weitere Prüfungen etwa zu beihilferechtlichen Fragen geben – die nächsten regulären Beratungen sollen am 13. Januar folgen.
Anders als bei den Landesbeteiligungen Messe und Flughafen, zu deren Miteignern auch die Stadt Hannover gehört und die Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) als «systemrelevant» bezeichnet hatte, sehen die Grünen eine Tui-Unterstützung sehr skeptisch. Diese würde primär die Großinvestoren fördern, die in der bisherigen Geschäftspolitik wenig vorausschauend gehandelt hätten, hieß es. Schon nach dem zweiten Rettungspaket im Frühherbst habe Tui mehr Geld verloren als zunächst angenommen. «Ich kann nicht erkennen, warum nun die dritte Prognose des Vorstands näher an der Realität sein sollte», sagte Wenzel.
Nach dem Einbruch des Geschäfts 2020 hofft Tui 2021 auf eine rasche Erholung. «Aktuell haben viele Reisebeschränkungen weiter Bestand, darum sind wir ein Unternehmen ohne nennenswerten Umsatz», berichtete Joussen. «Deshalb war es richtig, dass wir rechtzeitig ein drittes Finanzpaket erarbeitet haben, gemeinsam mit den Aktionären, den Banken und dem Staat. Damit überbrücken wir diese Monate und sichern die Liquidität, wenn sich die Pandemie im neuen Jahr fortsetzt.»
Der Konzern hatte sich jüngst optimistisch zu Mittelmeer-Zielen wie Spanien, Italien, Griechenland oder der Türkei geäußert. «Vor allem Pauschalreisen werden gefragt sein, da diese Reiseform die größte Sicherheit bietet», glaubt Tui-Deutschland-Chef Marek Andryszak.
Auch der im Corona-Jahr 2020 stärkere deutsche Inlandstourismus könne Bestand haben. «Die Ostseeküste wird beliebteste Urlaubsregion innerhalb Deutschlands bleiben. Sehr gefragt sind auch der Schwarzwald, der Bayerische Wald, das Allgäu und die Ostfriesischen Inseln», schätzt Tui. Der Flugplan für den Winter 2021/2022 ist bereits freigeschaltet – mit einem Schwerpunkt auf den Kanaren.
Anfang Dezember hatte das Unternehmen laut Joussen noch rund 2,5 Milliarden Euro an flüssigen Mitteln zur Verfügung. Das Geld solle nun wirklich über die Krise hinweg reichen. «Wenn Maßnahmen wie die Kapitalerhöhung genehmigt werden, verschieben sich nach Rückzahlung unserer ausstehenden Anleihe zunächst die Fälligkeiten der Kredite aus den ersten beiden Stabilisierungspaketen», ergänzte der Manager. Ob das neue Jahr Tui schon die nötige Luft verschafft, beobachten auch Experten der Ratingagentur Moody’s: Die Schuldenlast sei hoch, «und die Geschäftsbedingungen bleiben äußerst angespannt».
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