Kaum stand der Termin für das Ende des Corona-Lockdowns in Großbritannien fest, haben sich viele Briten Flüge und Urlaubsreisen in den Süden Europas gesichert.
In den Stunden nach der Rede von Premierminister Boris Johnson seien die Buchungen um 337 Prozent im Vergleich zur Vorwoche und Urlaubsbuchungen sogar um 630 Prozent gestiegen, teilte die Fluggesellschaft Easyjet am Dienstag in Luton mit. Der größte britische Reiseanbieter Tui UK verzeichnete ebenfalls eine Versechsfachung der Buchungen. Auf dem Kontinent hoffen die Anbieter auf einen ähnlichen Boom, doch das Signal bleibt zunächst noch aus.
In Deutschland wollen Anbieter wie der weltgrößte Touristik-Konzern TUI oder die Lufthansa-Tochter Eurowings im kommenden Sommer rund 80 Prozent ihres Vorkrisen-Niveaus vermarkten. «Je länger die Krise dauert, umso stärker wächst die Sehnsucht der Menschen zu reisen und zu fliegen. Sobald Reisebeschränkungen fallen, werden wir in der Touristik enorme Nachholeffekte sehen», hatte Eurowings-Chef Jens Bischof schon vor Wochen als Parole ausgegeben. «Es wird insbesondere in den Sommermonaten einen starken Nachholeffekt geben, so dass es in den Ferien im Juli und August durchaus wahrscheinlich ist, dass die Jets auf vielen Strecken im Mittelmeerraum und auf die Kanaren schnell ausgebucht sein werden», ist auch TUI-Deutschland-Chef Marek Andryszak überzeugt.
Briten-Premier Johnson hatte am Montag die Regierungspläne für den Weg des Inselstaats aus dem Corona-Lockdown vorgestellt. Demnach sollen die Restriktionen schrittweise aufgehoben werden, bis vom 21. Juni an dann gar keine Beschränkungen mehr gelten. Bereits vom 17. Mai an könnte Urlaub im Ausland wieder erlaubt werden. Voraussetzung für jede Lockerung ist, dass die Zahl der Neuinfektionen niedrig bleibt und das ambitionierte Impfprogramm weiter zügig voranschreitet.
Die deutschen Anbieter setzen auch wegen des Impfrückstands die Hoffnung auf einen Mix zwischen Impfnachweis und allseits verfügbaren Corona-Tests, um Reisen wieder zu ermöglichen. Nach Vorstellungen des Deutschen Reiseverbands (DRV) soll bei Einreisen aus Risikogebieten künftig ein negatives Testergebnis ausreichen und die abschreckende Pflicht zur Selbstquarantäne entfallen. Die Branche fordert zudem mehr Tempo beim Impfen und eine standardisierte und digitale Form des Impfnachweises.
Bis dahin sind es noch viele kleine Schritte, wie eine Ankündigung des Lufthansa-Konzerns vom Dienstag belegt. Danach wird es nun auf einigen Flügen nach Istanbul und von Newark möglich sein, die Corona-Testergebnisse vor Flugantritt digital überprüfen zu lassen. Die Originaldokumente müssten aber weiterhin mitgeführt werden.
Beliebte Reiseziele der sonnenhungrigen Briten sind den Konzernen zufolge Malaga, Alicante sowie Mallorca in Spanien, Faro an der Algarve in Portugal sowie die griechische Insel Kreta. Die meisten Buchungen wurden für August gemacht. «Die Ansprache des Premierministers hat vielen Kunden in Großbritannien einen dringend benötigten Vertrauensschub verliehen», sagte Easyjet-Chef Johan Lundgren der Mitteilung zufolge.
Bei den deutschen Gästen der TUI hat Vorjahressieger Kreta erneut Mallorca den Rang als beliebtestes Einzelziel abgejagt. Reiseland Nummer eins werde Spanien bleiben, sagt Andryszak. Auf den Kanaren und den Balearen sinken die Fallzahlen, so dass noch mit einer Aufholjagd bei reichlich vorhandenen Kapazitäten zu rechnen sei. Im Sommer 2020 hatte Eurowings sein Platzangebot nach Mallorca von Juni auf Juli nahezu verachtfacht, nachdem die Reisebeschränkungen gefallen waren.
In der britischen Euphorie, die am Dienstag auch die Börsenkurse fast aller Luftverkehrswerte nach oben schnellen ließ, spielte die Pandemie-Situation in den Zielländern offenbar nur eine untergeordnete Rolle. Stand jetzt verbietet derzeit neben den beliebten Urlaubsländern Frankreich und Spanien auch Deutschland britischen Touristen die Einreise, weil das Vereinigte Königreich wegen der dort zuerst entdeckten aggressiven Corona-Mutante als Hochrisikogebiet gilt. Johnson räumte bereits ein, dass irgendeine Form von Impfpässen «auf internationaler Bühne kommen» werde. «Wir müssen das ausdiskutieren und wir haben Zeit dafür.» Die Briten werden sich erneut mit der Europäischen Union verständigen müssen.
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