Nach dem Alarm zählt jede Minute: Wenn es brennt, muss die Feuerwehr schnell vor Ort sein. Deshalb sind immer einige Feuerwehrleute in Bereitschaft. Aber sind diese Bereitschaftszeiten gleichbedeutend mit Arbeitszeit?
Nicht immer, aber oft, entschied der Europäische Gerichtshof am Dienstag in Luxemburg. Entscheidend ist, dass sich Arbeitnehmer ausreichend erholen können. Bei erheblichen Einschränkungen der Freizeit kann Bereitschaft laut EuGH komplett als Arbeitszeit betrachtet werden.
Hintergrund ist ein Fall aus Offenbach, bei dem ein Feuerwehrbeamter während seiner Bereitschaft zwar nicht in der Dienststelle, aber binnen 20 Minuten einsatzbereit an der Stadtgrenze sein muss. Das letzte Wort in diesem Fall hat ein deutsches Gericht. (Rechtssache: C-580/19)
Wenn ein Arbeitnehmer die Bereitschaft am Arbeitsplatz verrichten muss und nicht gleichzeitig dort wohnt, gilt sie ohnehin als Arbeitszeit. Der EuGH stellte nun aber klar, dass Bereitschaftszeit auch dann Arbeitszeit ist, wenn die auferlegten Einschränkungen der Bereitschaft die Möglichkeiten, seine Zeit «frei zu gestalten und sich seinen eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigen».
Neben Einschränkungen müssen laut EuGH aber auch Erleichterungen berücksichtigt werden. Dies könne ein Dienstwagen mit Blaulicht und entsprechenden Sonderrechten sein. Im Offenbacher Fall kann der Feuerwehrmann ein Einsatzfahrzeug nutzen. Das Urteil ist allgemein gehalten und kann auf andere Berufsgruppen übertragen werden. Also nicht nur bei der Feuerwehr gilt der Grundsatz: Wenn die Einschränkungen zu groß sind, gilt Bereitschaft als Arbeitszeit. Der EuGH betont jedoch, dass immer der Einzelfall betrachtet werden muss.
Das oberste Gericht der EU sagt in seinem Urteil nichts dazu, wie eine Bereitschaftszeit bezahlt werden muss, wenn sie als Arbeitszeit eingestuft wird. Es geht nur darum sicherzustellen, dass Arbeitnehmer genug Ruhe bekommen. So kann theoretisch eine Bereitschaft, die als Arbeitszeit anzusehen ist, schlechter bezahlt werden als Arbeitszeit, in der es tatsächlich zu Einsätzen gekommen ist. Umgekehrt ist es möglich, dass eine Bereitschaft, die als Ruhezeit anzusehen ist, vergütet wird. Das können nationale Gesetze oder Tarifverträge regeln.
Das Urteil könnte auch auf deutsche Städte und Kommunen Einfluss haben. Laut Deutscher Feuerwehr-Gewerkschaft gibt es hierzulande mehr als 100 Berufsfeuerwehren mit rund 35 000 Beschäftigten. Für sie sind die Kommunen zuständig. «Wenn Bereitschaftszeit als Arbeitszeit gilt, brauche ich natürlich einen größeren Personalpool, aus dem ich schöpfen kann», sagt Marc Elxnat vom Deutschen Städte- und Gemeindebund.
Da die Brandbekämpfung weitestgehend durch fast eine Million Freiwillige organisiert werde, müsse in den Kommunen geschaut werden, ob die Reaktionszeiten mit dem bestehenden Personal gewährleistet werden könnten. Schon heute sei es teilweise schwer, die notwendigen Kräfte für die Feuerwehren zu finden, sagt Elxnat.
«Es ist ausdrücklich zu begrüßen, dass der EuGH die Beurteilung, ob eine Bereitschaftszeit als Arbeitszeit anzusehen ist, unter den Vorbehalt einer Gesamtwürdigung im Einzelfall stellt.» Das Urteil stelle «glücklicherweise» klar, dass Bereitschaft nur dann Arbeitszeit darstelle, wenn es zu erheblichen Beeinträchtigungen für den Arbeitnehmer komme.
Enttäuscht äußerte sich die Deutsche Feuerwehr-Gewerkschaft. Sie befürchtet, dass Träger der Feuerwehren «auf dem Rücken der Mitarbeitenden» Kosten sparten, indem sie ihnen zusätzliche Bereitschaftsdienste zur regelmäßigen Wochenarbeitshöchstzeit auferlegten.
Bereits 2018 hatte der EuGH grundsätzlich bejaht, dass Bereitschaftsdienste, bei denen Arbeitnehmer innerhalb kurzer Zeit für einen Einsatz zur Verfügung stehen müssen, als Arbeitszeit zählen. Damals ging es um einen Fall aus Belgien, in dem der Feuerwehrmann in acht Minuten auf der Wache sein musste.
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